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Das Leben, das uns bleibt (German Edition)

Das Leben, das uns bleibt (German Edition)

Titel: Das Leben, das uns bleibt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Beth Pfeffer
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beobachtet hatte.
    »Nein, tut es nicht«, erwiderte ich. »Danke der Nachfrage.«
    »Miranda, bist du’s?«, rief Dad.
    »Ja, Dad«, antwortete ich möglichst unbefangen und steckte den Kopf durch die Tür. »Ich suche Lisa. Ich wollte ihr sagen, dass Syl ein Flanelllaken gefunden hat, aus dem wir Windeln machen könnten. Ach, hallo Lisa. Über ein paar neue Windeln würde sich Gabriel doch sicher freuen, oder?«
    » Ich würde mich auf jeden Fall darüber freuen«, sagte Dad. »Wir müssen jetzt schon seit Wochen mit vier Stück auskommen. Jeden Abend waschen wir drei davon, in der Hoffnung, dass sie morgens trocken sind.«
    Ich überlegte kurz, wie mein Leben wohl verlaufen wäre, wenn Dad und Lisa mich damals im August mitgenommen hätten. Aber ich konnte es mir nicht vorstellen. Ohne mich wären Mom, Matt und Jon vielleicht noch vor dem Winter von hier fortgegangen. Dann hätte ich sie seitdem wahrscheinlich nicht mehr gesehen. Es würde mir so gehen wie Lisa, die sich ständig fragt, ob ihre Familie noch am Leben ist – nur dass sie wenigstens ihren Glauben hat. Aber vielleicht hätte ich den ja auch. Soweit ich mich erinnere, war Lisa früher nicht besonders gläubig.
    »Ich hab da ein paar Schulbücher gesehen, Miranda«, sagte Alex. »Julie ist in der achten Klasse. Meinst du, sie kann da mal reinschauen?«
    »Die sind für die neunte«, sagte ich, als spielte das irgendeine Rolle. »Aber klar, gerne. Jon braucht die im Moment sowieso nicht, zumindest den Sommer über.«
    »Wir haben eine Bibel«, sagte Lisa. »In der könnte Julie ein bisschen lesen.«
    Alex lächelte sie an. »Ja, warum nicht. Wir lesen auch oft in unserem Messbuch. Aber es kann nicht schaden, wenn sie mal ein bisschen Rechtschreibung, Grammatik und Mathe wiederholt. Auf der Holy-Angels-Schule war sie immer eine der Besten.«
    Mir wurde allmählich klar, mit wem Lisa sich da anlegen wollte. Alex erinnerte mich an Matt, nur noch hundertmal fürsorglicher. Aber Alex und Julie hatten ja auch keine Mutter, die auf sie aufpasste.
    Wie mag ihr Leben früher wohl ausgesehen haben? Und wie hatten sie es geschafft, ohne Eltern zu überleben? Wie hatte Syl das fertiggebracht?
    So schlecht es mir auch manchmal ergangen sein mag, im Grunde habe ich noch Glück gehabt. Selbst jetzt, wo ich wieder in meinem eisigen Kämmerchen sitze, im spärlichen Licht meiner beiden Lampenstifte, ist mir völlig klar, dass ich mich trotz allem noch glücklich schätzen kann.

3. Juni
    Hätte mich jemand vor einer Woche gefragt, was mir bessere Laune machen würde, hätte ich gesagt: zu wissen, wie es Dad, Lisa und dem Baby geht, einen Jungen in meinem Alter kennenzulernen und fließendes Wasser zu haben.
    Jetzt sind alle drei Wünsche in Erfüllung gegangen. Also muss ich wohl wieder bessere Laune haben.
    Dad und Matt haben das Wasser wieder zum Laufen gebracht, was bei zehn Leuten und einem Baby im Haus eine gute Sache ist. Jetzt machen sich der viele Schnee und der Regen wenigstens mal bezahlt. Das Geräusch der Toilettenspülung ist Musik in unseren Ohren.
    Gabriel hat zwar nicht viel Ähnlichkeit mit der kleinen Rachel, aber ich glaube, er schreit ein bisschen weniger. Mom sagt, Jon hätte als Baby auch oft Bauchweh gehabt, aber ich kann mich nicht mehr daran erinnern. Und Charlie ist wirklich toll mit dem Kleinen. Ich glaube, Gabriel hört überhaupt nur auf zu weinen, wenn er gestillt wird oder wenn Charlie ihn in den Schlaf singt.
    Und wenn Alex auch nicht gerade der Junge meiner Träume ist, so ist er doch immerhin ein Junge. Er ist achtzehn. Wenn alles noch so wäre wie früher, würde er diesen Monat seinen Abschluss machen und danach wahrscheinlich an der Uni in Georgetown studieren. Das hat Julie Jon erzählt, der es Mom erzählt hat, die es Matt erzählt hat, und der hat es mir erzählt.
    Wenn Alex schon nicht mein Traumjunge ist, so scheint Julie doch immerhin Jons Traummädchen zu sein. Aber vielleicht sehnt er sich auch nur genauso verzweifelt nach jemandem in seinem Alter wie ich. Jedenfalls sieht man ihn und Julie ständig irgendwo zusammensitzen und sich unterhalten oder sogar Schach spielen. Alex hat offenbar nichts gegen Jon einzuwenden und Mom nichts gegen Julie. In jedem Fall hat Mom nichts gegen Alex einzuwenden, der jedes Mal aufsteht, wenn sie ins Zimmer kommt, immer Bitte und Danke sagt und fragt, ob er was helfen kann. Damit ist er auf jeden Fall Moms Traumteenager.
    Bei so viel Zufriedenheit ringsum müsste ich eigentlich auch zufrieden

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