Das Leben, das uns bleibt (German Edition)
Sherlock Holmes und ich der dümmste Dr. Watson der Welt. »Ein paar Tage hat er an dem Mann gefressen, dann einige Tage nichts mehr. Dieser Typ, wer immer das war, ist noch nicht lange tot. Er wusste genau, was wertvoll ist.«
»Okay«, sagte ich. »Wo ist es dann? Wir haben alles durchgesucht.«
»Nicht den Dachboden«, sagte Alex. »Dieses Haus hat doch bestimmt einen Dachboden, oder?«
»Zumindest einen Spitzboden«, sagte ich. »Aber ich hab keine Treppe gesehen. Vielleicht gibt’s eine Falltür.«
Wir gingen nach oben und durchsuchten drei kleine Zimmer, bevor wir die Falltür zum Dachboden fanden. Alex zog an der Leine und ich stieg die Stufen hinauf.
Oben stand alles voller Kartons. Aber Kartons auf dem Dachboden müssen noch nichts bedeuten. Auch wenn irgendwelche Produktnamen auf den Kartons stehen, muss das noch nichts bedeuten. Nicht einmal, wenn die Kartons noch versiegelt sind, muss das unbedingt etwas bedeuten.
Alex folgte mir nach oben. Die Decke war so niedrig, dass keiner von uns aufrecht stehen konnte, von Herumlaufen ganz zu schweigen. Es war gerade noch genug Platz, dass Alex sein Taschenmesser rausholen und den Karton mit der Aufschrift ›Campbells Hühner-Nudel-Suppe‹ aufschneiden konnte.
In dem Karton waren vierundzwanzig Dosen Campbells Hühner-Nudel-Suppe.
»Verhungert ist er jedenfalls nicht«, sagte ich. »Wie soll das gehen bei so vielen Lebensmitteln?«
»Er war ein Geizhals«, sagte Alex. »Von solchen Leuten hört man ab und zu, aber ich dachte immer, so was kann es nicht geben: Leute, die gleich zu Anfang riesige Vorräte angelegt haben, dann aber vor lauter Angst, es könnte nicht reichen, überhaupt nichts mehr essen. Warte mal kurz, ich bin gleich zurück.«
Ich hatte keine Ahnung, was er vorhatte, aber es war mir auch egal. Ich öffnete nur einen wunderbaren Karton nach dem anderen. Einiges in den Kisten, das wusste ich, würde inzwischen verdorben sein. Aber es war trotzdem noch so viel. Selbst für uns zehn würde das wochenlang reichen.
Als Alex zurückkam, hatte er das Gewehr des Mannes dabei. »Für alle Fälle«, sagte er.
»Wie kriegen wir das bloß alles nach Hause?«, fragte ich, während ich inständig hoffte, dass Alex auch wirklich mit einem Gewehr umgehen konnte. »Vielleicht sollten wir alle hier einziehen, bis die Vorräte aufgebraucht sind.«
»Dazu ist das Haus zu klein«, sagte Alex. »Außerdem hat sich einer wie der doch garantiert einen Fluchtweg gesichert. Der hat bestimmt einen Transporter in der Garage stehen oder einen Pickup, mit einem Rest Benzin im Tank. Genug, um die Lebensmittel zu euch zu bringen. Und ich wette, dass er auch noch irgendwo ein paar Transportkisten hat. Der Typ war bestens vorbereitet. Verrückt, aber bestens vorbereitet.«
»Und wenn die Garage abgeschlossen ist?«, fragte ich.
»Ist sie bestimmt«, sagte Alex. »Aber er hatte einen Schlüsselbund am Gürtel.«
Ich sah den Mann wieder vor mir. Ein Schauer lief mir über den Rücken. Und das war kein netter kleiner Horrorfilm-Schauer.
»Schon gut«, sagte Alex. »Ist wohl alles ein bisschen viel. Ich hol die Schlüssel und schau in der Garage nach. Du bleibst hier. Ist schon okay.« Er nahm das Gewehr und stieg die Treppe hinunter.
Ich zwang mich dazu, die Kartonaufschriften zu lesen, mich auf das Wunder von schwarzen Bohnen und Trockenfleisch zu konzentrieren. Der Anblick von vier 10-Kilo-Säcken Reis versetzte mich in Begeisterung. Trotzdem war ich unglaublich erleichtert, als ich hörte, wie Alex wieder in die Kammer trat.
»Da steht ein Transporter«, sagte er. »Der Tank ist noch viertel voll. Zwei Kanister Benzin hab ich auch noch gefunden.« Er schüttelte den Kopf. »Mit denen wäre er überall hingekommen. Er und sein Hund, alle beide.«
»Hat der Transporter eine Gangschaltung?«, fragte ich. »Mit Gangschaltung kann ich nicht fahren.«
»Aber ich«, sagte Alex. »So was lernt man unterwegs. Autofahren. Autos kurzschließen. Selbstverteidigung.« Er zögerte. »Du würdest dich wundern, wie viele Autos rumstehen, die noch ein bisschen Benzin im Tank haben. Einfach nur kurzschließen und schon ist man vierzig Kilometer weiter.«
»Habt ihr so diese langen Strecken zurückgelegt?«, fragte ich. »Dad, Lisa und Charlie auch? Mit dem Auto?«
»Einen Teil davon«, sagte Alex. »Manchmal sind wir auch Rad gefahren oder gelaufen. Auf dem Weg nach Tulsa, im Februar, sind Julie und ich ein Stück im Auto mitgenommen worden. Das war eine große Hilfe. Dann
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