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Das Leben der Eltern ist das Buch, in dem die Kinder lesen

Das Leben der Eltern ist das Buch, in dem die Kinder lesen

Titel: Das Leben der Eltern ist das Buch, in dem die Kinder lesen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisela Rudolf
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Kinderfilm
Pünktchen und Anton
kommt nach Solothurn!« Falls es nächsten Sonntag regnet, dürfen wir in die Nachmittagsvorstellung.
Blitz beißt den Samichlaus
    Wir haben vergessen, das Elternschlafzimmer abzuschließen. Noch ist der St. Nikolaus nicht im Salon, da gelingt es Blitz, die Tür zu öffnen. Er stürmt bellend herein, springt am Schmutzli, der noch halb im Entree steht, hoch und –
    »Verdammt!«, ruft der Samichlaus. Papa schiebt – auch er fluchend – sein Bein zwischen den Hund und den Schmutzli, Mama schreit »um Gotteswillen«, und jetzt drängt sich Ursel vor. »Scheißhund!« Sie nimmt Blitz am Halsband und führt ihn ab ins Schlafzimmer.
    Während der Samichlaus sein goldenes Buch öffnet, rückt sich der Schmutzli seinen schwarzen Umhang zurecht und die Kapuze wieder auf den Kopf. Er öffnet seinen großen Sack, abwechselnd schaut er zu Anton und mir. Konrad hält sich unterm Tisch die Hände vors Gesicht, damit man ihn nicht sehen soll.
    Wir streiten viel zu oft. Anton darf mich nicht mehr schlagen, er muss seine Fingernägel besser putzen und anständiger essen. Ich soll keinen Schorf mehr abkratzen, soll die Fingerhäutchen in Ruhe lassen, und lieber sein muss ich auch. »Du machst wegen jeder Kleinigkeit gleich den Kopf«, sagt der Samichlaus. Seine Stimme hat letztes Jahr weniger schlimm getönt. Er beugt sich zu mir herab: »Hier steht, du seist manchmal richtig trotzköpfig, stimmt das?« Sein Bart ist so wuchtig, dass in seinem Gesicht fast nur die Augen übrig sind. Vorsichtshalber nicke ich: »Ich werde es nie mehr tun.«
    Konrad darf von morgen an im oberen Küchenschrank nichts Süßes mehr stibitzen, und auch »lügele« sei gelogen, wird er ermahnt.
    »Wollt ihr versprechen, euch zu bessern?«
    »Ja.«
    »Ja.«
    »Ja, sicher.«
    Anton und ich tragen unsere Gedichte vor. Der Schmutzli klaubt aus seinem Sack Mandarinen, spanische Nüßli, Lebkuchen, Schoggi und einen übergroßen Schleckstängel … Schon kriecht Koni aus seinem Versteck: »Samichlaus du liebe Ma, gäll i muss kei Ruete ha, gimmer Nuss und Bire, de chumi wieder füre.«
    Am nächsten Morgen schlafen die Eltern aus. Mit Ursel essen wir zum Frühstück so lange Schokolade und Lebkuchen, dass wir zu spät aus dem Haus kommen. Noch suche ich meinen Schulsack, da ist Anton schon auf und davon. In unserem Vorgarten hängt etwas Seltsames über einem der Rosenstrünke, ein länglicher weißer Bausch aus Watte – der Bart vom Samichlaus!
    »Wir haben es gestern noch bis um eins saulustig gehabt«, höre ich Mama mittags am Telefon erzählen.
    Kaum sind Anton und ich allein, will ich es wissen: »Nicht wahr, der Samichlaus ist nur ein verkleideter Mann gewesen.« Sein höhnisches Grinsen verrät mir, dass meine Vermutung richtig ist. Möglichst überzeugend ergänze ich, »und das Christkindli gibt es auch nicht!«
    An Weihnachten gehört Papa den ganzen Nachmittag uns. Wir treffen dann immer Onkel Linard mit seinen Zwillingen und machen im Stadtwald Schnitzeljagd, bis es dunkel wird. Bevor wir heute mit unseren Zeitungsschnitzeln starten, drückt Onkel Linard an Antons Ohr herum. Er stellt ihm ein paar Fragen.
    »Halb so schlimm, wir holen nachher Tropfen in meiner Praxis!«
    Anton zieht sich die Mütze wieder ins Gesicht.
    Als das Christkindli nach dem Festessen hinter der Tür von Papas Herrenzimmer läutet, darf Koni als Erster hinein. Enttäuscht fixiert er das offene Fenster. »Scho furt gfloge!« Anton und ich zwinkern einander zu. An der zimmerhohen Tanne glitzert und baumelt so viel – ich kann gar nicht nachzählen, ob bis am Dreikönigstag auch genügend Schoggisachen dran hängen. Diesmal werde ich aufpassen, dass Koni nicht wieder alle Bettmümpfeli klaut.
    »Was soll denn dieser scheußliche Wasserkessel da?!«
    »Sie erinnern sich doch«, sagt Mama zur entsetzten Großmama, »letzte Weihnacht hat der Baum gebrannt.«
    Papa hat sich damals furchtbar aufgeregt. Nachdem das Feuer mit seinem Smokingkittel gelöscht war, fiel er, die Hand auf der linken Brust, in einen Sessel, schnaufte heftig und wiederholte bloß immer: »mein Herz!« Wir hatten alle große Angst um ihn. Bei unserem Neujahrsbesuch in Naters untersuchte ihn Onkel Arthur von Kopf bis Fuß. Seither versuchen wir alles zu vermeiden, was Papa aufregen könnte.
    Großmama deckt den Kübel mit einem Brokatkissen ab.
    Stille Nacht, heilige Nacht, alles schläft, einsam wacht …
Tanta Isabella ist so heiser, dass sie tiefer singt als Papa. Als

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