Das Leben der Eltern ist das Buch, in dem die Kinder lesen
gewonnen! Ich bin auf Mama ja so stolz!
Aber die Blöde mit dem kurzen Röckchen holt auf … Und Mama macht schon wieder einen Fehler!
»Ausgerechnet jetzt ins Netz!«
»Out, oh nein!«
Onkel Fred und Herr Brückner schlagen enttäuscht die Hände auf die Schenkel. Sollen sie Mama lieber die Daumen halten!
»Wenn ich noch einmal kantonale Meisterin werde, dann bin ich die glücklichste Frau auf Erden!« So hat Mama es gesagt. Mehr als einmal. Noch verbleibt ihr die Chance, drei Matchbälle abzuwehren …
Würde Papa wenigstens am Gitter stehen! Ich schiele zu seinem Wagen – er ist weg.
Wir sind längst zuhause, da ruft Papa an. Er hat, um sich abzuregen, nach Stein eine kleine Spritztour unternommen. Nun ist er bei seinem alten Freund, dem Jäger. Vor Mitternacht will er wieder zurück sein. Koni und ich dürfen zwar neben Mama im Papabett einschlafen, aber von Tennis reden sollen wir nicht mehr. Das verlorene Match hat Mama sehr traurig gemacht.
Während Papa mit Onkel Hardi unterwegs ist, hält schon wieder der kleine grüne Fiat vor unserem Haus. Gerlindes Verlobter läutet und möchte Mama sehen. Das Gespräch dauert nicht lange. Ich bin froh, sonst hätte Papa den Mann noch angetroffen: Keine Minute ist vergangen, seit der Fiat verschwunden ist, und schon fährt Papa den Tannenweg herunter.
Mama klärt ihn gleich auf. »Neuerdings verlangt der Kerl, dass Gerlinde mit uns am Tisch essen kann …«
»Kommt gar nicht infrage!«
»… Sonst kündigt er ihre Stelle.«
»Soll er doch!«
»Vielleicht«, sagt Mama, »hast du recht. Mit Österreicherinnen scheint man nur Probleme zu haben.«
V
Mariella stammt aus Italien. Sie ist zusammen mit einer Freundin in die Schweiz gekommen. Nera heißt sie, und sie ist alles andere als devot, eine Wichtigtuerin! Weil es ihr bei der Familie in der Stadt nicht gefällt, verbringt sie die freien Nachmittage bei uns. Dann sitzen die jungen Frauen im Garten, Nera auf der Schaukel und Mariella neben ihr im Gras – und plaudern stundenlang. Wegen des schnellen Sizilianerdialekts verstehe ich leider nicht alles. Oft äußert sich Nera geringschätzig über den Mann, den Mariella gerne als Schatz haben möchte: Maurizio, der Gehilfe des Parroco. Um ihn zu sehen, ist Mariella letzten Sonntag gleich zweimal in die Jesuitenkirche gegangen, am Morgen in die Italienermesse, am Nachmittag in die Vesper. Sie hat dazu ihre rote Manchester-hose angezogen und die bunte Bluse. Für Mariella kann es nie knallig genug sein, sagt Mama, und Papa nennt sie »unser Clown«. Ich nenne Nera heimlich »Nero«. Sie meint nämlich, sie sei was Besseres und kommandiert Mariella richtig herum. »Vai prendere..! Fai questo ..! Stupida che sei!« Dabei ist Mariella die lustigste Italienerin, die wir je hatten. Einzig, dass sie uns beim Wecken kitzelt, habe ich nicht so gern. Einmal hat sie im Vorübergehen auch Mama kitzeln wollen, und Großmama hat sie einfach mit »ciaò« begrüßt. Inzwischen macht sie das aber nicht mehr. »Sie lernt schnell«, sagt Mama, »sie ist nicht dumm, nur etwas naiv.«
Leider kann Mariella schneidern. Mama bringt aus der Stadt immer neue Stoffe heim, aus denen Mariella für sie und mich Kleider und für uns drei Kinderpyjamas näht. Die meisten Dinge, die ich anziehen muss, gefallen mir überhaupt nicht. Ich bin »eine verwöhnte, undankbare Meitja«. Was hat Mama Papa sonst noch alles über mich erzählt? Jedenfalls ist auch er von mir enttäuscht: »Du bist einfach zu äußerlich! Im Leben kommt es auf die inneren Werte an, was du bist, ist wichtig, nicht, wie du aussiehst!«
Um mir das zu sagen, ist Papa extra in mein Zimmer gekommen.
»
Wenn es wurst ist, wie ich aussehe, warum muss ich dann immer diese blöde Zahnspange tragen?«
»Das hat nichts mit Eitelkeit zu tun. Als Tochter eines Zahnarztes hast du perfekte Zähne zu haben! Apropos: Lass die Spange nicht ständig herumliegen – eines Tages schnappt sie dir Blitz noch weg! Nach dem Putzen hast du sie gefälligst sofort wieder einzusetzen, gell?«
Anton hat es per Autostopp von Stans nach Solothurn geschafft.
»Ich habe mit dem Studentenkäppi nur ein paarmal winken müssen, schon hat mich der Nächste mitgenommen – und das mit meinem großen Wäschekoffer«, erzählt er stolz.
»Die Leute sehen dir halt an, dass du nicht irgendein Vagabund bist.«
Anton fragt Papa, ob er das eingesparte Bahngeld behalten dürfe.
»Schon wieder kein Sackgeld mehr?« Bei Papas guter Laune heißt das natürlich
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