Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition)

Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition)

Titel: Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter de Bruyn
Vom Netzwerk:
gerichtet verstanden wurde; denn seiner »Römischen Elegien« wegen wurde er auch deutscher Properz genannt. Kurz darauf, nämlich am 10. August 1796, schickte Goethe einen Beitrag für den »Musenalmanach 1797«, der dann als Xenien-Almanach in die Literaturgeschichte eingehen sollte, mit der Bemerkung an Schiller, dass dieser Beitrag durch eine »arrogante Äußerung des Herrn Richter in einem Brief an Knebel« entstanden sei. Das Gedicht war mit »Der Chinese in Rom« überschrieben, hätte aber auch heißen können: Der Ungläubige in der Heiligen Stadt oder Der Barbar in der Stadt der Kultur.
    »Einen Chinesen sah ich in Rom: die gesamten Gebäude
    Alter und neuerer Zeit schienen ihm lästig und schwer.
    Ach, so seufzt er, die Armen! Ich hoffe, sie sollen begreifen,
    Wie erst Säulchen von Holz tragen des Daches Gezelt,
    Daß an Latten und Pappen, Geschnitz und bunter Vergoldung
    Sich des gebildeten Auges feinerer Sinn nur erfreut. –
    Siehe, da glaubt’ ich im Bilde so manchen Schwärmer zu schauen,
    Der sein luftig Gespinst mit der soliden Natur
    Ewigen Teppich vergleicht, den echten reinen Gesunden
    Krank nennt, dass ja nur Er heiße, der Kranke, gesund.«
    Goethe, der zu dieser Zeit ganz auf antike Formenstrenge eingeschworen war, hielt also nur diese für solide, gesunde Natur, alles andere, wie die scheinbare Formlosigkeit des »Hesperus« für etwas Krankes, und Schiller gab seine Zustimmung mit der Bemerkung, das sei die »wahre Abfertigung für dieses Volk« .
    Auch die Xenien, die etwa die Hälfte des ungewöhnlich starken Almanachs füllten, enthielten ein gegen Jean Paul gerichtetes Epigramm, und später kamen noch zwei hinzu. Alle lassen sie zwar ein wenig Verständnis für ihn ahnen, und doch werden sie kränkend für ihn gewesen sein. Das erste ist mit »Jean Paul Richter« überschrieben und lautet: »Hieltest du deinen Reichthum nur halb so zu Rathe, wie jener/Seine Armuth, so wärst du unsrer Bewunderung werth« . Das zweite heißt »Verfasser des Hesperus« und beurteilt ihn so: »Nicht an Reitz noch an Kraft fehlts deinem Pinsel, das Schöne/Schön uns zu mahlen, du hast leider nur Fratzen gesehn« . Und das dritte, mit »Richter« überschriebene, führt das, was den Klassikern seine Mängel scheinen, auf seine kleinstädtische Herkunft zurück: »Richter in London! Was wär er geworden! Doch Richter in Hof ist/Halb nur gebildet, ein Mann dessen Talent euch ergötzt!«
    Zu der Zeit etwa, in der Goethe mit dem »Chinesen in Rom« gegen Jean Paul polemisierte, war dieser, ohne von dieser Gleichzeitigkeit zu wissen, mit seiner Abgrenzung vom Griechen-Ideal beschäftigt, aber nicht so kurz und pointiert, wie der Weimarer dergleichen machte, sondern in seiner ausschweifenden und humoristischen Art. Da der im Vorjahr erschienene »Quintus Fixlein« in der zweiten Auflage erscheinen sollte und sein Autor keine Gelegenheit zum Schreiben einer Vorrede auslassen konnte, wurde seine Polemik gegen Weimar, die die Form einer Reiseerzählung annahm, nun in dieser mit behandelt und erschien, weil der Druck der zweiten Auflage verzögert wurde, unter dem Titel »Geschichte meiner Vorrede zur zweiten Auflage des Quintus Fixlein« kurioserweise als selbständiges Büchlein schon im Herbst 1796 auf dem Markt.
    Die Personen dieser Geschichte sind neben dem Autor persönlich, eine junge Frau namens Pauline Oehrmann und der Kunstrat Fraischdörfer als karikierte Verkörperung des in Weimar gepflegten Formenkults. Jean Paul, der es gelernt hat, auch im Gehen zu schreiben, ist zu einer Fußwanderung von Hof nach Bayreuth aufgebrochen, um auf ihr die Vorrede zur zweiten Auflage des »Fixlein« zu schreiben und sich an der Landschaft zu erfreuen. In der Hoffnung, an der nächsten Poststation der vor ihm fahrenden Pauline, die er nur von hinten gesehen hat, endlich einmal ins Gesicht blicken zu können, beschleunigt er seine Schritte, ohne aber den Kunstrat abschütteln zu können, dessen langweiliges Gerede über die klassische Ästhetik ihm lästig ist. Statt sich dem Schreiben, der schönen Landschaft oder dem blühenden Leben in Gestalt der Pauline widmen zu können, muss er sich vom Kunstrat sagen lassen, dass die schönen Häuser in den durchwanderten Dörfern durch das Wohnen der Menschen in ihnen als Kunstwerke entweiht werden, dass die Bauern auf den Feldern nur Beachtung verdienen, weil sie als Vorlage der Idyllenmalerei dienen, und dass Kriege für die Schlachtenmalerei notwendig sind. Um einen

Weitere Kostenlose Bücher