Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition)
Hindernis, das schnell zu beseitigen war. Nachdem sie brieflich dem Dichter sowohl ihre Absicht, die Verlobung aufzulösen, als auch ihr Schwanken zwischen Herzensneigung und Treuepflicht gestanden hatte, rief sie ihn, als den für Moralprobleme Zuständigen, zum Richter auf. Und er antwortete, wie gewünscht, als scheinbar Unbefangener: »Schöne Seele! So unparteiisch und kalt, als hätt’ ich Sie nie gesehen, will ich Ihnen die Antwort meines Gewissens geben. Sie ist: Sie dürfen sich trennen.« Wenige Tage später, am 4. November, durfte Karoline in einem seiner Briefchen schon lesen: »Einzige! endlich hat mein Herz sein Herz – endlich ist mein Leben gerade und licht. So bleibt es, und niemand könnt’ uns trennen als wir, und wir tun es nicht.«
Geheim blieb aber die Verlobung nicht lange, denn als Karoline den Erwählten wenige Tage später in einem ihrer vielen durch Boten beförderten Briefchen anflehte, doch bald ihren Vater zu informieren, da dieser der vielen Besuche des Dichters wegen schon das Gerede der Leute fürchtete, war er ohne Zögern dazu bereit. Blumenreich wie immer bat er den Geheimen Obertribunalrat brieflich um die Hand seiner Tochter, womit er nicht nur der Konvention gehorchte, sondern auch dem Gesetz. Denn nach dem Allgemeinen Preußischen Landrecht wurden nur die Söhne bei Volljährigkeit aus der Vormundschaft der Eltern entlassen, die Töchter dagegen nur durch die Ehe, in der dann die Vormundschaft auf den Gatten überging.
Anders als der Titel, der Jean Pauls Namen schmückte, ohne mehr als einen Schmuck zu bedeuten, kennzeichnete der seines Schwiegervaters eine tatsächliche Stellung in der Justizverwaltung, wies ihn also als einen Beamten höheren Ranges aus. Zu den Honoratioren der Stadt gehörig, verkehrte er in den höchsten Kreisen, auch in denen der Hofgesellschaft, war ein eifriger Theatergänger, Mitglied verschiedener literarischer Zirkel und Besucher der philosophischen und physikalischen Vorträge von Marcus Herz. Als typischer Mann der Berliner Aufklärung war er wahrscheinlich von Jean Paul, der der nächsten Generation angehörte und sich in Berlin mit den in geistiger Opposition stehenden jungen Romantikern anfreundete, wenig erbaut. An solchen Denk- und Geschmacksunterschieden aber wollte der vernünftige Mann, obwohl er wahrscheinlich lieber einen Beamten als Schwiegersohn gesehen hätte, das Glück seiner Tochter nicht scheitern lassen, stimmte dem Heiratsgesuch also erst einmal bedingungslos zu. Sein Verhältnis zu Jean Paul blieb immer bestimmt von gegenseitiger Achtung, aber vertraut wurde es nie.
Von der Mutter seiner drei Töchter, die in einem Berliner Vorort lebte, war der Obertribunalrat schon 1782 geschieden worden, und in seiner zweiten Ehe war noch eine Tochter namens Auguste geboren worden, die den Liebenden oft als Briefbotin dienstbar war.
Bei der Scheidung war die seltsame Vereinbarung getroffen worden, dass die Töchter eine Woche beim Vater und die andere bei der Mutter zu wohnen hatten, das Erziehungsrecht aber war beim Vater geblieben, und er hatte es gut genutzt. Durch ihn selbst und durch Lehrer, die er ins Haus geholt hatte, war den Schwestern eine gute Bildung vermittelt worden, die vielleicht auch zur Folge hatte, dass jede von ihnen ihr Herz an einen Literaten verlor.
Die Älteste, Wilhelmine, genannt Minna, die später selbst Schriftstellerin wurde, hatte schon 1797 den Herausgeber der »Zeitung für die elegante Welt« Karl Spazier geheiratet und ihm den Sohn Richard Otto geboren, den Verfasser der ersten Biographie Jean Pauls. Die zweite Tochter, Karoline, heiratete Jean Paul am 27. Mai 1801, und zwei Wochen später wurde die dritte Schwester, Ernestine, die Frau des Lustspiel- und Liederdichters August Mahlmann, der später auch Zeitungsverleger in Leipzig war.
Im November also hatte der Vater die Heirat Karolines gebilligt, ohne wie üblich danach zu fragen, ob die finanzielle Lage des Bräutigams ausreichend war. Als aber Jean Paul keine Anstalten machte, von sich aus diesen Punkt zu berühren und den Hochzeitstermin festzulegen, fühlte er sich aus Sorge um seine Tochter zur Klärung dieser Sache verpflichtet und teilte dem Dichter das in einem mit »Mein lieber Herr Sohn!« überschriebenen Brief mit. Er habe die Absicht, schrieb er, um seine Tochter »gegen alle Zufälle einer ungewissen Zukunft zu sichern« , sie in der Preußischen Witwenkasse versichern zu lassen, benötige dazu von ihm aber Auskunft darüber, wann
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