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Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition)

Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition)

Titel: Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter de Bruyn
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Gliederfrauen zu psychologisch-moralischen Reflexionen über die Weiblichkeit oder über die Schwärmerei. … Sein Schmuck besteht in bleiernen Arabesken im Nürnberger Stil. Hier ist die an Armut grenzende Monotonie seiner Phantasie und seines Geistes am auffallendsten, aber hier ist auch seine anziehende Schwerfälligkeit zu Hause und seine pikante Geschmacklosigkeit, an der nur zu tadeln ist, dass er um sie nicht zu wissen scheint. Seine Madonna ist eine empfindsame Küstersfrau, und Christus erscheint wie ein aufgeklärter Kandidat. Je moralischer seine poetischen Rembrandts sind, desto mittelmäßiger und gemeiner; je komischer, je näher dem Bessern; je dithyrambischer und je kleinstädtischer, desto göttlicher: denn seine Ansicht des Kleinstädtischen ist vorzüglich gottesstädtisch.«
    Liebenswürdig waren die Romantiker also nicht zu ihm, und was sie an seinen Büchern lobten, war nicht das, was ihm selbst lobenswert dünkte, aber da sie ihn ernst nahmen und alles, was er schrieb, mit Aufmerksamkeit verfolgten, sprach er gern mit ihnen, doch einer der Ihren werden wollte er nicht. Denn er sah bei ihnen einen Ästhetizismus, den er schon in der »Vorrede zur zweiten Auflage des Quintus Fixlein« angegriffen hatte und der dann auch im »Titan« abgeurteilt wird. In der faszinierenden bösen Gestalt des Roquairol gelang es ihm, ein romantisches Genie so porträtähnlich zu zeichnen, dass Clemens Brentano sich darin wiedererkannte, obwohl er Jean Paul nie begegnet war. Im Anhang zum selben Roman aber kann man auch die wunderbare Erzählung vom »Luftschiffer Giannozzo« lesen, der aus seinem Luftschiff die Welt von oben betrachtet, sie klein, kleinlich und verachtenswert findet und nach Art der Frühromantiker besonders das Nützlichkeitsdenken der Berliner Aufklärung mit Spott übergießt.
    Ähnlich zwiespältig war Jean Pauls Verhältnis zu Fichte, den er in Berlin mehrmals sah. Sie waren von gleichem Alter, ähnlicher ärmlicher Herkunft und politischer Überzeugung, so dass der frühe Fichte, den man aus Jena vertrieben hatte, dem Dichter durchaus sympathisch gewesen war. Fichtes subjektiven Idealismus seiner »Wissenschaftslehre« aber hatte Jean Paul 1799 in seiner Schrift »Clavis Fichtiana«, dem Schlüssel zu Fichte, scharf angegriffen, und im »Titan« schuf er in Schoppe eine durchaus positive Gestalt, die jedoch durch Fichtes Philosophie in den Wahnsinn verfällt. Da aber Fichte Jean Pauls philosophische Angriffe nicht ernst nehmen wollte, ging es bei ihren Berliner Gesprächen friedlich und freundlich zu. Auch später, als Fichte die Nation für sich entdeckte und Jean Paul das Übertriebene daran kritisierte, fand er doch noch lobende Worte für ihn.
    Trotz aller Annäherung an die Romantik blieb Jean Paul der Einzelgänger, der weder der Hinneigung der Klassiker zur Antike noch der der Romantiker zum Mittelalter folgte, sondern immer in der deutschen Gegenwart blieb. Diese aber ließ die Größe der Stoffe, die andere in der Vergangenheit suchten, vermissen, und als er sie im »Titan« zu erzwingen versuchte, verfehlte er dabei weitgehend die Gegebenheiten der deutschen Realität.

Der Titan
    Der auf vier Bände anwachsende Roman, der erst »Das Genie« heißen sollte, hatte eine lange Vorgeschichte, die mit ersten Notizen schon 1792 nach dem Abbruch der »Unsichtbaren Loge« begonnen hatte, sich nach dem »Hesperus« fortsetzte, aber erst richtig vorankam, als Weimar dem Autor Anschauungsmaterial für Genies, Fürsten, Höflinge und emanzipierte Frauen bot. Aber auch Leseerlebnisse, wie Jacobis Genie-Roman »Allwill« und Goethes »Wilhelm Meisters Lehrjahre« wirkten sich im Für und Wider auf die Arbeit aus. In Hof wurde das Riesenwerk begonnen, in Leipzig, Weimar und Berlin weitergeschrieben und erst in Meiningen der Schlusspunkt gesetzt. Seine gesamten Wanderjahre hindurch war Jean Paul mit dem »Titan« beschäftigt. Da in ihnen aber auch noch viele andere bedeutende Werke, wie der »Siebenkäs« und der »Quintus Fixlein« entstanden und auch schon Teile der »Flegeljahre« geschrieben wurden, waren sie seine produktivste Zeit.
    Als Erziehungs- und Bildungsroman ist der »Titan« dem 1795 erschienenen »Wilhelm Meister« besonders verpflichtet, versucht in seinem Bildungsideal aber über diesen hinauszugehen. Das Ziel des Bildungsprozesses ist in beiden Romanen die tätige, allseitig gebildete Persönlichkeit, zu der Jean Paul den Begriff der Allkräftigkeit erfindet, dem er die

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