Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition)
Wesenszüge der Frau von Sydow verwertet, dann erging es ihr wie ihren Vorläuferinnen und denen, die noch nach ihr kamen und seiner Keuschheit gefährlicher wurden: einer Esther Bernard und einer Gräfin von Schlabrendorff.
Die jüngste seiner Verehrerinnen, eine äußerlich reizvolle Siebzehnjährige dagegen, beeindruckte ihn ihrer frühreifen Eitelkeit wegen sicher nur wenig. Sie hieß Wilhelmine, nannte sich aber Helmina, war eine Geborene von Klencke, hatte mit 16 Jahren den Freiherrn Karl Gustav von Hastfer geheiratet, war aber gerade dabei, sich wieder scheiden zu lassen. Wie ihre Großmutter, die berühmte Karschin, und ihre Mutter, Karoline Luise von Klencke, geborene Karsch, schrieb auch sie von Kindesbeinen an Gedichte und erlangte nach einer zweiten Heirat als Helmina von Chézy eine gewisse Berühmtheit, die aber weniger auf ihren zahlreichen Werken als auf ihren Freundschaften mit berühmten Leuten beruht. Ihr größter Erfolg wurde das Libretto, das sie für Carl Maria von Webers Oper »Euryanthe« schrieb. Als Vierzehnjährige hatte sie bei Daniel Chodowiecki, dem Freund ihrer Großmutter, die »Unsichtbare Loge« gelesen und den Plan gehabt, einen Roman in gleicher Manier zu verfassen, es aber dann doch unterlassen und sich damit begnügt, einen Brief an Jean Paul zu schreiben, in dem sie ihn mit Du anredete, die Absendung aber unterließ. Im Mai 1799 ließ sie dann Jean Paul diesen umformulierten langen Brief mit dem Bekenntnis, dass ihre Seele die seine suche und liebe, durch seinen Freund Ahlefeldt zukommen, so dass sie dem Verehrten also schon bekannt war, als er ein Jahr später nach Berlin kam. Eifrig war sie bemüht, sein Interesse zu erregen, schrieb ihm mehrere mit eignen Gedichten geschmückte Briefe, lud ihn zu Ausflügen ein und zum Essen in die Gipsgasse Nr.12, wohin sie nach ihrem kurzen Ausflug in eine unglückliche Ehe wieder zu ihrer Mutter zurückgekehrt war. Er solle aber, schrieb sie ihm, eine schon verjährte galante Sitte des Adels aufgreifend, schon um 10 Uhr morgens kommen, »damit Sie sehen, wie ich an meiner Toilette die letzte Hand anlege« . Aber solche koketten und von der eignen Wichtigkeit überzeugten jungen Frauen rührten den Leichtzurührenden wenig. Und auch auf die vielen späteren Annäherungsversuche, die sie in Briefen ihr ganzes bewegtes Leben lang fortsetzte, ging er nur der Höflichkeit halber oder auch gar nicht ein.
Anders verhielt es sich mit der Schriftstellerin Esther Bernard, geb. Gad, einer aus Schlesien stammenden Jüdin, die er schon in Franzensbad persönlich kennengelernt hatte und nun, nachdem mehrere Briefe gewechselt worden waren, in Berlin wieder traf. Sie war eine geschiedene Frau mit drei Kindern, und obwohl sie nie eine Schule hatte besuchen können, war sie sehr gebildet und setzte sich in ihren Werken für das Recht der Frauen auf Bildung ein. Ihre Briefe an Jean Paul waren nicht weniger werbend als die anderer Frauen, wohl aber weniger sentimental. Über den Besuch bei ihr bekam Freund Otto, etwas rätselhaft, nur zu erfahren: »Im Tiergarten blieb ich bei der Bernard geborene v. Gad eine Nacht und rauchte meine Pfeife und ging rein von dannen und Gott sei Dank, aber nicht mir.«
Die schlimmste Versuchung aber, die der Junggeselle noch zu überstehen hatte, wartete nach seiner Berlin-Reise in Weimar auf ihn, und zwar in Gestalt der Henriette Gräfin von Schlabrendorff, die zehn Jahre jünger war als er. Theodor Fontane hat später, ohne von ihrer Beziehung zu Jean Paul zu wissen, in den »Wanderungen durch die Mark Brandenburg« über die in dem südlich von Berlin gelegenen Gröben begüterte Familie von Schlabrendorff berichtet und dabei auch kurz über das Leben der Gräfin erzählt. Das berühmteste Mitglied der Familie war ein Gustav, der in Paris lebte, als Girondist von den Jakobinern zum Tode verurteilt wurde, diesem aber entgehen konnte, weil er, als er zum Schafott gefahren werden sollte, seine Stiefel nicht finden konnte, später vergessen wurde und durch den Sturz Robespierres schließlich befreit worden war. Dessen Bruder Heinrich, der zu Hause geblieben war, machte, wie Fontane berichtet, »als junger Offizier die Bekanntschaft eines durch Schönheit, Geist und Wissen ausgezeichneten Fräulein von Mütschephal, deren Vater in demselben Husarenregiment ein oberes Kommando bekleidete. Die Bekanntschaft führte bald zu Verlobung und Vermählung« . Eine Tochter und ein Sohn wurden geboren, aber da es sich vonseiten des
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