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Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition)

Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition)

Titel: Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter de Bruyn
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handeln, Albano aber hat nur mit der Reifung seines Seelenlebens zu tun.
    Diese treffliche Personifizierung von Gut und Böse hatte sicher auch etwas mit dem Bestreben des Autors nach Objektivierung des eignen Wesens zu tun. Denn neben dem Wunsch nach der Harmonie eines Albano lebten auch in ihm Eigenschaften, die einen Roquairol so unmenschlich machen, vor allem dessen Ästhetizismus, in dem der Künstler über den Menschen triumphiert. Führte doch auch Jean Paul ein Leben, das vorwiegend von der künstlerischen Arbeit bestimmt war, doch war bei ihm wiederum diese von Moral bestimmt. Bei Roquairol dagegen treibt er das sündhafte Ersetzen des Menschlichen durch das Künstlerische auf die Spitze, indem er ihn aus Ekel vor der eigenen inneren Kälte und Leere in den wiederum künstlerisch inszenierten Freitod schickt. Sein Leben und seine Verbrechen werden Inhalt einer von ihm verfassten, inszenierten und dargestellten Tragödie, in deren Schlussakt er sich auf offener Bühne zum Entsetzen der Zuschauer selbst erschießt.
    Dem Zwang zur klassischen Harmonie, der diesem Roman eignet, bringt Jean Paul aber auch seinen satirisch-humoristischen Freigeist, der hier nicht Leibgeber, sondern Schoppe heißt, zum Opfer, indem er ihn, der hier auch als Einkräftiger denunziert wird, in den Wahnsinn schickt. Doch die Gewalt, die Jean Paul sich damit selbst antut, um der Romanidee zu genügen, wird heimlich wieder zurückgenommen, indem am Schluss als Ersatz für Schoppe ein Leibgeber zu satirischen Diensten bereitsteht und sich im »Komischen Anhang« nicht nur die unterdrückten Satiren breitmachen, sondern auch ein anderer Schoppe als Giannozzo wieder ersteht. Mit der neuesten Errungenschaft der Technik, dem 1783 erfundenen Ballon, kann der Freigeist sich über die Welt von Gut und Böse erheben und so den ersten der drei im »Quintus Fixlein« beschriebenen Wege »glücklicher (nicht glücklich) zu werden« , wahr machen, den nämlich, »so weit über das Gewölke des Lebens hinauszudringen, dass man die ganze äußere Welt mit ihren Wolfsgruben, Beinhäusern und Gewitterableitern von weitem unter seinen Füßen nur wie ein eingeschrumpftes Kindergärtchen liegen sieht« . Es ist der Höhenflug des Genies, das sich selbst genügt und hier so lustvoll beschworen wird, dass der Anhang der Moral des »Titan« spottet. Zwar macht ein Blitzschlag auch dieser Einkräftigkeit ein Ende, aber als der Leichnam zur Erde fällt, steht, um den freien Geist nicht aussterben zu lassen, ein neuer Leibgeber schon bereit.

Abb.34: Emil Preetorius.
Illustration zum »Luftschiffer Giannozzo«

Heimkehr
    »W issen Sie wohl, meine Freundin, dass es eine sehr gefährliche Anmutung ist, die Sie mir da tun? Ich soll Jean Pauls Titan beurteilen? – Der bloße Gedanke, dass man ihn tadeln könne, macht hundert schöne Enthusiastinnen, die bei Richters Schriften vor dunkeln Gefühlen fast in Ohnmacht fallen, erblassen; und ebenso viel schwachsinnige Männer, die gar nichts sein würden, wenn sie nicht immer – berauscht wären, fahren grimmig und mit gesträubtem Haare auf und drohen Krieg, wenn man zu richten wagt, wo sie nur bewundern können. Sie versichern treuherzig, – ohne zu bedenken, was sie da gestehen – seit Richter schriebe, kenneten sie keine Sprache des Gefühls als die seinige …«

Abb.35: Garlieb Merkel. Stahlstich
    So beginnt Garlieb Merkel den dritten seiner »Briefe an ein Frauenzimmer über die wichtigsten Produkte der schönen Literatur in Teutschland«, mit denen er in seiner Berliner Zeitschrift »Der Freimüthige« im Geiste der Spätaufklärung gegen Klassik, Romantik und auch gegen Jean Paul polemisch zu Felde zog. Nachdem er behauptet hatte, »Richters Talente, sein lebhaftes, inniges Gefühl, seinen glänzenden Witz, seine flammende Phantasie« durchaus schätzen zu können, hatte er nicht nur an den »Geschmacklosigkeiten« und dem »bildernden Bombast« des Stils etwas auszusetzen, sondern auch an den männlichen Gestalten, die ihm alle »Schwächlinge, Narren oder Schurken« zu sein schienen, und an den Frauenzimmern, in denen er nur »nervenschwache Empfindlerinnen« sah.
    Aber nicht nur sein Erzfeind Merkel, sondern auch viele andere Kritiker und Leser reagierten auf den mit Spannung erwarteten »Titan« mit Enttäuschung, so dass die erste Auflage von 3000 Stück sich so schleppend verkaufte, dass an eine zweite nicht zu denken war. Als Jean Paul starb, waren viele Exemplare des dritten und vierten Bandes

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