Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition)

Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition)

Titel: Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter de Bruyn
Vom Netzwerk:
gebeten, schlug aber Einladungen auch manchmal aus. Als der Herzog ihm ankündigte, ein Haus für ihn bauen zu lassen, wehrte er ab. Denn lange wollte er hier nicht bleiben, weil ihm die Gespräche mit Freunden fehlten und ihm das Meininger Bier nicht gefiel. Obwohl er nur knappe zwei Jahre in Meiningen lebte, blieb ihm die Stadt immer verbunden. Mit einer nach ihm benannten Straße und einem von Schwanthaler geschaffenen Denkmal im Englischen Garten blieb hier sein Andenken bis heute bewahrt.
    Das gewünschte Bier, nämlich das Bayreuther, Johanniter oder Kulmbacher, wurde für ihn alle paar Wochen aus Bayreuth geholt. Organisator dieser Transporte war sein langjähriger Freund Emanuel, ein jüdischer Bankier und Immobilienhändler, der ab 1814, als auch in Bayern die Juden zu gleichberechtigten Staatsbürgern wurden, den Familiennamen Osmund trug. Im Gegensatz zu vielen anderen Juden dieser Jahre hatte er sich nicht taufen lassen, sondern an seinem jüdischen Glauben festgehalten, was Jean Paul, der ihn seiner Güte und Menschenliebe wegen überaus schätzte und liebte, wohl richtig fand. Hatte er ihn doch schon 1801 Henriette Herz gegenüber als seinen »Glaubensgenossen in höherm Sinne als die Reichsgesetze es nehmen« , bezeichnet, ihn also im Gegensatz zu den damaligen Gesetzen als gleichberechtigt anerkannt. Bei ihm hatte Jean Paul, wenn er Bayreuth besuchte, immer wohnen können, und der Briefwechsel mit ihm war nie abgerissen, wurde der Bierlieferungen wegen in Meiningen aber noch verstärkt.

Abb.37: Jean Paul mit seinem Pudel Ponto.
Scherenschnitt von Luise Duttenhofer 1819
    Vom Bier ist fast in jedem der Briefe als »Magenbalsam«, »Seelentrank«, »Lethe«, »vorletzte Ölung« oder »Weihwasser« die Rede, und Jean Paul geriet leicht in Panik, wenn der Einspänner mit den Fässern oder Eimern sich verspätete und der Vorrat zur Neige ging. »Bei der Einfahrt eines Bierfasses« , so beschrieb es Karoline, »läuft er seliger umher als bei dem Eintritt eines Kindes in die Welt.« Allein die Kunst sei es, die nach diesem Getränk verlange, betonte er wieder und wieder, nicht sein Gaumen, sondern sein Kopf habe Gewinn davon. Dem Vorwurf, er sei vom Bier abhängig, entgegnete er mit der Feststellung, dass doch jeder Mensch im Winter zum Beispiel vom Ofen abhängig sei. Um sich künstlerisch in Hochform halten zu können, brauchte er dieses Aufputschmittel, und mit dem Nachlassen seiner künstlerischen Kräfte brauchte er mehr und mehr davon. Eine ausführliche Verteidigung seines »Trinkunfugs« endete mit der Feststellung, dass er das Bier brauche, um auch weiterhin »in der hohen Flut aller Kräfte schwimmen« zu können; die »Ebbe« , die nach jedem Rausch eintrete, fülle er dann mit Büchern und Freunden aus.
    Die beiden Freunde, an die er dabei vor allem dachte, waren Christian Otto, mit dem er alles Literarische und Politische besprechen konnte, und Emanuel Osmund, der mehr für Familiäres, Moralisches und Finanzielles zuständig war. Da beide Freunde in Bayreuth zu Hause waren, bleibt sein dreijähriges Zögern mit der Heimkehr unverständlich: Vielleicht schreckte er vor der Erkenntnis zurück, dass mit dem Ende seiner Wanderjahre auch die künstlerischen Kräfte schwanden und auch der Höhepunkt seines Ruhms schon überschritten war. Hatten doch die beiden letzten Bände des »Titan« in der Öffentlichkeit kaum ein Echo gefunden, und die Freunde und Bekannten äußerten sich trotz ständiger Fragen nach ihrem Urteil nicht. Dadurch verunsichert, legte er 1803 die Arbeit an den »Flegeljahren« unvermittelt beiseite, um den Kritikern seine Ansichten über Literatur entgegenzuhalten. Da viele Vorarbeiten dazu schon bereitlagen, entstand in der unglaublich kurzen Zeit von nur neun Monaten sein literaturtheoretisches Hauptwerk, die »Vorschule der Ästhetik«, die zur Herbstmesse 1804 schon erschien.

Abb.38: Jean Pauls Freunde Christian Otto
und Emanuel Osmund. Miniaturen
    Wie der Begriff »Vorschule« andeutet, handelt es sich dabei nicht um das System einer Ästhetik, sondern um eine Sammlung von Gedanken und Einfällen, die aus der literarischen Praxis entstanden waren, weshalb der Schwerpunkt seiner Ausführungen beim Roman und beim Komischen liegt. Obwohl sich in diesem Werk auch Annäherungen an die Theorien der Romantiker finden, ist das Ganze doch höchst eigenständig, so dass Ludwig Tiecks überspitztes Urteil, das Werk sei die Anweisung, Romane in Jean Pauls Manier zu schreiben,

Weitere Kostenlose Bücher