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Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition)

Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition)

Titel: Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter de Bruyn
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Widerstreit zwischen Moral und Politik, zwischen Menschenliebe und Landesliebe« endlich zu Ende sei. Vielleicht könne, so hoffte er, der Zwang zum Rüstungswettlauf einmal dazu führen, dass die »Staatskörper unter der Strafe des Gewehrtragens erliegen und gemeinschaftlich ihre schwere Rüstung ausziehen« . Falls das aber nicht geschehe, ahnt er Schlimmes voraus. »Der Mechanikus Henri in Paris erfand … Flinten, welche nach einer Ladung 14 Schüsse hintereinander geben; – welche Zeit wird hier dem Morden erspart und dem Leben genommen! Und wer bürgt unter den unermesslichen Entwicklungen der Chemie und Physik dagegen, dass nicht endlich eine Mordmaschine erfunden werde, welche wie eine Mine mit einem Schusse eine Schlacht liefert und schließt, so dass der Feind nur den zweiten tut, und so gegen Abend der Feldzug abgetan ist?«
    Während Arndt, Jahn und andere, die Fanatismus und Hass von den Patrioten forderten, im 19. Jahrhundert viel geehrt wurden, war es mit der Erinnerung an den politischen Jean Paul immer schlecht bestellt. Heine, Börne und das Junge Deutschland hielten ihn noch in Ehren, dann aber wurde er so gut wie vergessen, weil er, der Vernunft und Menschlichkeit predigte, für einen Patriotismus, der sich von Franzosenhass nährte, nicht zu gebrauchen war. Dass sich die 1809 geschriebene und erschienene »Kriegserklärung gegen Krieg« gegen alle richtete, die wie Theodor Körner meinten, dass »das höchste Heil, das letzte, … im Schwerte« liege, wird nicht direkt gesagt, ist aber offensichtlich, weshalb er dann auch die immer diffizile Frage nach dem Recht zum Kriege nicht umgehen kann. Arndt, der den Begriff des gerechten Krieges mehrfach benutzt, macht es sich damit in seinem 1813 geschriebenen »Katechismus für den deutschen Kriegs- und Wehrmann, worin gelehret wird, wie ein christlicher Wehrmann sein und mit Gott in den Streit gehen soll« leicht. Der Krieg sei gerecht, weil Gott aufseiten der für das Recht kämpfenden Deutschen stehe, während die bösen Franzosen nichts im Sinne hätten als Raub und Gewinn. Jean Paul dagegen muss zwar anerkennen, dass Verteidigungs- und Befreiungskriege gerecht sein können, weigert sich aber einzusehen, dass die Freiheit darin bestehen soll, vom eignen statt vom fremden Fürsten geknechtet zu sein. Ein klarer Fall des gerechten Krieges sei zwar gegeben, wenn barbarische Tataren eine freie Schweiz überfielen, aber so eindeutig sei das bei innereuropäischen Kriegen, wo Angriff oft als beste Verteidigung gelte, doch nie.
    Andererseits ist seine »Kriegserklärung« aber auch an die Eroberer gerichtet, von denen er die groß genannten Alexander und Karl anführt, den damit vielleicht auch gemeinten Napoleon aber wohlweislich verschweigt. Deren Recht auf den Besitz ihrer »von Blut-Katarakten zusammengeschwemmten oder -geleimten Länder« kann er nicht höher achten als das von Straßenräubern. Ihnen, die für ihre Ideen ganze Länder und Völker opferten, stellt er einen Sokrates gegenüber, der für seine Idee nur sein eignes Leben gab. Als wenig später Napoleons räuberische Absichten offensichtlich wurden, machte er wahr, was er schon 1806 an Jacobi geschrieben hatte: »Für die Menschheit gebe ich gern die Deutschheit hin; sobald aber beide den einen und selben Gesamtfeind haben, so wende ich mein Auge von diesem«.
    Er schwenkte also, als Napoleons Armeen, zu denen Soldaten fast aller europäischen Völker gehörten, in Russland einfielen, in seiner Beurteilung des Kaisers zu den Patrioten über und ließ sich, ohne den grassierenden Hass auf die Franzosen mitzumachen, 1813 auch von der Welle nationaler Begeisterung mitreißen, als von Preußen ausgehend der Krieg gegen die napoleonische Herrschaft über Deutschland begann. Der kleine Aufsatz, mit dem er der Befreiungseuphorie Tribut zollte, will zu dem Friedensprediger von 1809 nicht so recht passen, zumindest nicht in seinem ersten Teil, der die Grauen des Krieges verschönt. Der Gedanke, sich damit als Opportunist erwiesen zu haben, ist Jean Paul anscheinend nie gekommen; denn er hat die kleine Arbeit später wieder drucken lassen, sie allerdings nicht in seine politischen Schriften aufgenommen, sondern in das Sammelsurium »Herbst-Blumine«, das 1820 erschien.
    Erstmals gedruckt wurde der 1813 verfasste Aufsatz mit dem Titel »Die Schönheit des Sterbens in der Blüte des Lebens; und der Traum von einem Schlachtfelde« 1814 in Cottas »Damenkalender«, wo er auch hingehörte, weil er

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