Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition)
die Hinterbliebenen der Gefallenen trösten sollte, indem er ihnen vorgaukelte, dass der Tod auf dem Schlachtfeld ein süßer sei. »Vater, Mutter, schaue deinen Jüngling vor dem Niedersinken an: noch nicht vom dumpfen Kerkerfieber des Lebens zum Zittern entkräftet, von den Seinigen fortgezogen mit einem frohen Abschiednehmen voll Kraft und Hoffnung, ohne die matte satte Betrübnis eines Sterbenden, stürzt er in den feurigen Schlachttod wie in eine Sonne, mit einem kecken Herzen, das Höllen ertragen will – von hohen Hoffnungen umflattert – vom gemeinschaftlichen Feuersturm der Ehre umbrauset und getragen – im Auge den Feind, im Herzen das Vaterland – fallende Feinde, fallende Freunde entflammen zugleich zum Tod, und die rauschenden Todes-Katarakten überdecken die stürmende Welt mit Nebel und Glanz und Regenbogen – alles was nur groß ist im Menschen steht göttlich-glanzreich in seiner Brust als in einem Göttersaal, die Pflicht, das Vaterland, die Freiheit, der Ruhm. Nun kommt auf seine Brust die letzte Wunde der Erde geflogen: kann er die fühlen, die alle Gefühle wegreißt, da er im tauben Kampfe sogar keine fortschmerzende empfindet? Nein, zwischen sein Sterben und seine Unsterblichkeit drängt sich kein Schmerz, und die flammende Seele ist jetzo zu groß für einen großen, und sein letzter schnellster Gedanke ist nur der frohe, gefallen zu sein für das Vaterland. Alsdann geht er bekränzt hinauf als Sieger in das weite Land des Friedens … Eltern, wollt ihr noch einmal Tränen vergießen über eure Söhne, so weint sie, aber es seien nur Freudentränen über die Kraft der Menschheit, über die reine Sonnenflamme der Jugend, über die Verachtung des Lebens und des Todes.«
Hier also war der Friedensprediger zum Kriegsverherrlicher geworden, aber wenn man den Aufsatz dann weiterliest, über das Semikolon des Titels hinweg zum »Traum von einem Schlachtfelde«, glaubt man das schlechte Gewissen des Dichters zu spüren, mit dem er von der Schönheit des Sterbens schrieb. Dieser »Traum« nämlich ist eine grauenhafte Vision von Tod und Vernichtung, die trotz eines verklärenden Schlusses die vorhergehende Tröstung zur Farce macht. Nach dem Muster der »Rede des toten Christus« schlägt hier der Stundenhammer eines brennenden Turms an eine schmelzende Glocke. Ein roter Komet rast über den Himmel. Kinder schießen sich mit hölzernen Weihnachtsflinten tot. Blutschnee fällt. Wagenladungen von Händen und Augen werden abgefahren. Ameisen wimmeln auf Menschengerippen. Durstige Überlebende öffnen Fässer, aus denen giftige Vipern quellen, und ein Ungeheuer singt dazu ein Tedeum nach der Melodie eines Gassenhauers: »Töten ist mein Leben, Te Deum! – Die Menschheit wird darin gerädert stets von unter auf, Te Deum! – Unten bei dem Untertanenpack und Fußvolk wird damit begonnen, Te Deum! – Und alle Tränen sind für mich Freudentränen, Te Deum!«
Als dann die zum Teil sehr verlustreichen Kriege vorüber waren, gehörte Jean Paul nicht zu den vielen Autoren, denen der geschlagene Napoleon noch Anlass zu Schimpfworten oder Satiren war. Seine 1814 erschienene Schrift »Mars und Phöbus Thronwechsel« nannte sich »scherzhafte Flugschrift« und war auch nicht mehr als eine solche, mit der er erreichen wollte, dass sich unter die vielen »zürnenden Flugschriftsteller, welche andonnern« , auch einer mischte, der »bloß auspfeift«. In ihr wird die Abdankung des Kriegsgottes gefeiert, der kürzlich verstorbene Napoleon-Gegner Fichte genauso geehrt wie der ebenfalls schon tote Napoleon-Verehrer Johannes von Müller, und die Freude über den Sieg ist mit der Hoffnung verbunden, dass das Bündnis der Völker, das ihn erringen konnte, einen langen europäischen Frieden garantiert.
Dr. Katzenberger und andere
Im Mai 1808 konnte Christian Otto, der noch beim Prinzen Wilhelm in Königsberg ausharren musste, in einem der selten gewordenen Briefe seines Freundes Richter von dessen innerer Starrheit und Kälte lesen, gegen die selbst der »Frühling und alle seine Sternenhimmel« machtlos sei. Zwar wurde diese Erstarrung vom Briefschreiber als Folge der politischen Zustände bezeichnet, doch war im gleichen Brief auch nicht zu verkennen, dass sich bei ihm mit der Sesshaftwerdung und dem wachsenden Alter eine Resignation verband.
Auch äußerlich hatte er sich so verändert, dass mancher Besucher, der in Bayreuth den berühmten Verfasser des »Hesperus« zu sehen erwartet hatte, vor seiner
Weitere Kostenlose Bücher