Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition)
diesen Jahren viele Deutsche ergriff. Sein Predigen für den Frieden war auch eines für die Gleichberechtigung der Nationen, was ihm natürlich den Zorn von Kriegs- und Hasspredigern zuzog, unter denen Ernst Moritz Arndt ein besonders talentierter und wirksamer war. In seinen »Briefen an Freunde« hatte Arndt 1810 seiner Verachtung Jean Pauls kräftigen Ausdruck gegeben, und zwar so: »Der erste dieser verbrecherischen Verweichlicher, dieser Nervenausschneider menschlicher Kraft, dieser Anatomen des innersten Heiligtums des Herzens, dieser dumpfen Totengräberseelen, ist der berühmte Jean Paul Richter, der das Schönste durch Unmaß verdirbt und alle Empfindung und Sehnsucht des menschlichen Gemütes über die Grenzen der Mäßigkeit und Ruhe hinauslockt: ein gefährlicher Mensch durch lebendig Blut und hohe Geistigkeit und durch viele echte Götterblitze; aber ein verderblicher Verführer und Vergifter, durch welchen alles Gestaltvolle und Männliche untergehen muss in dem, der sich ihm ergibt.« Der so Angegriffene hatte in seinem »Leben Fibels« prompt geantwortet, den »Kraft-Menschen« Arndt mit der »Butterblume« verglichen, aus der nie Butter werde, und ihn einen »Donneresel« und »Maul-Riesen« genannt.
Abb.44: Ernst Moritz Arndt. Nach Ludwig
Buchhorn gestochen von Carl Traugott Riedel
Arndts Angriff war vor allem gegen Jean Pauls »Dämmerungen für Deutschland« gerichtet, die 1809 erschienen waren und deren wichtigstes Kapitel mit »Kriegserklärung gegen den Krieg« überschrieben ist. Nachdem er schon in seinem pädagogischen Werk »Levana« klargemacht hatte, dass er beim Thema Krieg und Frieden nicht zuerst an das Wohl der Nation, sondern an das der Menschheit dachte, ging er nun in den »Dämmerungen« auch direkt gegen die Kriegsverherrlicher vor. Gegen Arndt zum Beispiel, der den Deutschen in seiner »Friedensrede eines Deutschen« nicht nur hatte weismachen wollen, dass »von jeher der Keim des Großen und Guten im germanischen Volke« gelegen habe, »wie in einigen Völkerschaften der Keim des Gemeinen und Schlechten« liege, sondern auch, dass Kriege nötig seien, »weil wir sonst in Nichtigkeit, Weichlichkeit und Faulheit einschlafen würden« , statt gleich den Germanen, diesen »edlen Barbaren« , immer zum Kampfe bereit zu sein. Mitschuld an dieser Kraftlosigkeit der Deutschen habe aber auch die Literatur. »Wir haben uns durch eine schlechte Lehre einer empfindelnden Humanität und eines philanthropischen Kosmopolitismus (wie man mit vornehmen, fremden Worten das Elendige nennt) einwiegen und betören lassen, dass Kriegsruhm wenig, dass Tapferkeit zu kühn, dass Männlichkeit trotzig und Festigkeit beschwerlich sei; halbe Faulheiten und weibische Tugenden sind von uns als die höchsten Lebensbilder aufgestellt: deswegen sehen wir nach jenen ersten vergebens aus.«
Jean Paul dagegen bestreitet die Notwendigkeit von Kriegen und Kriegshelden. Verweichlichung könne auch durch Arbeit vermieden werden, und um Mut zu beweisen, müsse man kein Krieger sein. Ihm gilt der Wissenschaftler mehr als der Feldherr, und Rüstungskosten sind ihm unnütz vergeudetes Geld. »Wollte ein Staat nur die Hälfte seines Kriegs-Brennholzes zum Bauholz des Friedens verbrauchen, wollt er nur halb so viel Kosten aufwenden, um Menschen als um Unmenschen zu bilden, und halb so viel, sich zu entwickeln als zu verwickeln: wie ständen die Völker ganz anders und stärker da.«
Jean Pauls Argumente für den Frieden sind zwar nicht immer stichhaltig, weil er mehr der Beweiskraft von Metaphern als der von historischen Tatsachen vertraut, aber sie sind immer menschenfreundlich und mehr auf den Nutzen der Menschheit bedacht als auf den der Nation. Geistesgeschichtlich gesehen ist es die Moral der Aufklärung, die er vertritt, soziologisch die des kleinen Mannes, der die Kriege ernähren und erleiden muss und jeden verliert, auf welcher Seite er auch steht. Denn Kriege werden »nur wider, nicht für die Menge« gemacht, aber von ihr »geführt und erduldet« , und die Fürsten, die das Blut ihrer Völker für ihre Zwecke vergießen, haben kein Recht dazu. »Das Unglück der Erde war bisher, dass zwei den Krieg beschlossen und Millionen ihn ausführten und ausstanden, indes es besser, wenn auch nicht gut, gewesen wäre, dass Millionen hätten beschlossen und zwei gestritten« .
Mit Kant sah Jean Paul die Möglichkeit des ewigen Friedens nur in einem republikanischen Universalstaat, in dem es mit dem »hässlichen
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