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Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition)

Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition)

Titel: Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter de Bruyn
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Erscheinung erschrak. Der dicke Mann in nachlässiger und unsauberer Kleidung, der gern, viel und schnell in seiner fränkischen Mundart redete, wirkte älter, als er tatsächlich war. Auffallend waren auch seine absonderlichen Vorlieben, die er den belustigten oder entsetzten Gästen mehr ausstellte als verbarg. Da gab es das auf seiner Schulter sitzende Eichhörnchen, das, wie er Otto berichtete, »nicht beißt und nicht pisst (denn letzteres tuts jeden Morgen um 6 Uhr)« , und das er auch bei feierlichen Gelegenheiten, wie einer Taufe, in der Rocktasche trug. Ständig wurde er von einem Spitz, später von einem Pudel begleitet, den mancher Besucher für den Briefboten der »Hundsposttage« halten wollte, und Käfige mit Vögeln und Mäusen gab es in seiner Wohnung auch. In einem mit Tüll bespannten Behältnis wurden Fliegen gemästet, mit denen sein Laubfrosch gefüttert wurde, der sein Wetterprophet war. Denn zu seinen Steckenpferden gehörte auch die Wettervorhersage, über die er 1816 sogar einen längeren Aufsatz mit dem Titel »Der allzeit fertige und geschwinde Wetterprophet« verfasste, in dem er neben dem Stolz auf seine Fähigkeiten auch ein wenig Selbstironie bewies. Noch ernsthafter aber widmete er sich dem Mesmerismus, der nach seiner Hochblüte um 1780 nach 1815 wieder in Mode gekommen war. Er studierte die einschlägigen Werke, schrieb 1813 seine »Mutmaßungen über einige Wunder des organischen Magnetismus« und traute sich selbst magnetische Kräfte zu. Als der junge Mediziner Karl Bursy, der später als Arzt in Kurland wirkte, ihm 1816 von den Fortschritten des Mesmerismus in Berlin erzählte, erregte er damit das höchste Interesse Jean Pauls. »Selten ließ er mich zu Ende reden. Mit jedem Wort, das ich sprach, drängten sich ihm neue Fragen zu, und sein Auge funkelte und glühte, als wollte er jeden Dintenflecken seiner schmutzigen Stubendiele zum magnetischen Reverberierspiegel potenzieren. … Er selbst hat schon manchmal bei Zahn- und Kopfschmerzen seiner Freunde mit Wirkung magnetisiert und wollte von mir wissen, ob er die Manipulation richtig vornehme. Ich musste mich hinsetzen, und nun manipulierte er an mir in seinem Feuer so starken Druckes, dass es fast schmerzte.«
    Jean Pauls vielseitiges Interesse an den Wissenschaften, das in der Ästhetik, der Philosophie, der Theologie und der Pädagogik Beiträge hervorbrachte, die ernst genommen werden konnten, führte ihn manchmal aber auch auf Wege, die nur der Kuriosität halber erwähnenswert sind. So erregte zum Beispiel der Eifer, mit dem er sich zeitweilig in Randprobleme der Sprachwissenschaft verbohrte, bei den Fachleuten nur Spott. War schon die individuelle Rechtschreibung, die er sich in der Jugend aus Originalitätssucht erdacht, später aber wieder aufgegeben hatte, von kuriosen Zügen nicht frei gewesen, so viel mehr noch seine Abhandlung »Über die deutschen Doppelwörter«, die erst in einer Zeitschrift, 1819 dann auch als Buch erschien. In deren Einleitung rühmte er sich, als Erster die Regel entdeckt zu haben, nach der die Bildung von zusammengesetzten Wörtern, die er als Doppelwörter bezeichnete, erfolgt. Vor allem ging es ihm bei seiner Untersuchung, die sich im Wesentlichen in einer Klassifizierung der Doppelwörter erschöpfte, um das Binde-S oder auch Fugen-S, das manchmal dazwischen geschoben wird, wie bei Königskrone, und manchmal, wie bei Kaiserkrone, auch nicht. Angeregt dazu hatte ihn ein Sprachforscher namens Christian Heinrich Wolke, ein alter Mann, der sich in jungen Jahren als Pädagoge der Aufklärung gemeinsam mit Basedow große Verdienste in Deutschland und auch in Russland erworben hatte, im Alter aber die Idee einer rigorosen Reformierung der deutschen Sprache entwickelt hatte, die er in einem 500 Seiten langen Werk mit dem Titel »Anleit zur deutschen Gesamtsprache oder zur Erkennung und Berichtigung einiger (zu wenigst 20) tausend Sprachfehler in der hochdeutschen Mundart; nebst dem Mittel, die zahllosen, – in jedem Jahre den Deutschschreibenden 10000 Jahre Arbeit oder die Unkosten von 500000 verursachenden – Schreibfehler zu vermeiden und zu ersparen« niedergelegt hat. Jean Paul war zwar von der Entschiedenheit, mit der Wolke alle Regelwidrigkeiten der Sprache beseitigen wollte, beeindruckt, nicht aber bereit, diese mitzumachen. Als Wolke ihn 1811 aufforderte, bei der Reinigung der Sprache von allem Unregelmäßigen voranzugehen, lehnte er das mit der Begründung, dass vorher erst

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