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Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition)

Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition)

Titel: Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter de Bruyn
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ist. Im Anhang des 1811 erschienenen Büchleins hat er die kindlichen Verse, von »Ein Affe gar possierlich ist,/Zumal wenn er vom Apfel frisst« bis zu »Die Ziege Käse gibt zwei Schock,/Das Zählbrett hält der Ziegenbock« , mit den dazugehörigen Bildchen vollständig abgedruckt.
    Als er, wie immer erst nach Beendigung der Arbeit, das Vorwort schrieb, war von Parodie gar keine Rede mehr. Gerühmt wird vielmehr ein stilles Leben, in dem eigentlich nichts geschieht. »Ich für meine Person bekenne gern, dass ein solches Werkchen, wie ich eben hier der Welt darreiche, mir, wenn ichs von einem Dritten bekäme, ein gefundnes Essen wäre und Leben in mich brächte; denn ich würd’ es auf die rechte Weise lesen, nämlich Ende Novembers (der wie der April und der Teufel immer schmutzig abzieht) oder auch sonst bei starkem Schneegestöber und Windpfeifen – ich würde an einem solchen Abend mehr Holz nachlegen lassen und die Stiefel ausziehen, ferner die politischen Zeitungen einen Tag zu lange liegen oder sie ungelesen fortlaufen lassen – ich würde Mitleid mit jeder Kutsche haben, die zum Tee führe, und mir bloß ein Glas und ein vernünftiges Abendbrot aus der Kindheit bestellen und für den Morgen ein halbes Lot Kaffee Überschuss, weil ich schon voraus wüsste, wie sehr ich durch ein so treffliches, ruhiges Buch (wofür dem Verfasser ewiger Dank sei!) zur Anspannung für ein eignes glänzend ausgeholet hätte … So würde ich das Werkchen lesen; aber leider hab’ ich es selber vorher gemacht.«
    Das Schlusskapitel zeigt dann den uralten Fibel, der unter Pudeln, Eichhörnchen und Vögeln glücklich wie in Kindertagen geworden ist. Seine frischen Zähne und blonden Locken sind ihm nach seiner zweiten Geburt wieder gewachsen, als ihm durch Abkehr vom Ehrgeiz des Literaten die Rückkehr zu der glücklichen Zeit vor dem Sündenfalle gelungen war.
    Der 48 Jahre alte Autor, der diesen Weg zum Glück anzeigte, dachte aber nicht daran, ihn auch zu beschreiten. Ihn regte vielmehr, wie im Vorwort nachzulesen, der Traum von einem Leben jenseits aller literarischen Eitelkeiten nur dazu an, ihn literarisch zu verwerten. Kann denn der Dichter dafür, heißt es im »Katzenberger«, »dass seine Phantasie stärker ist als sein Charakter und Höheres ihm abfordert und andern vormalt, als dieser ausführen kann?«

Die Rollwenzelei
    Emma, Jean Pauls älteste Tochter, erinnerte sich als Erwachsene gern an glückliche Abendstunden, in denen der Vater nach getaner Tagesarbeit zum Erzählen aufgelegt war. »In der Dämmerstunde erzählte er uns früher Märchen oder sprach von Gott, von der Welt, vom Großvater und vielen herrlichen Dingen. Wir liefen um die Wette hinüber, ein jedes wollte das erste neben ihm auf dem langen Kanapee sein; der alte Geldkoffer mit Eisenreifen und einem Loch oben im Deckel, dass ein Paar Mäuse nebeneinander ohne Drücken hindurch konnten, wurden in der ängstlichen Eile die Treppenstufe, von der aus man über die Kanapeelehne stieg. Denn vorn zwischen dem Tisch und Repositorium sich durchzuwinden, war mühselig. Wir drängten uns alle drei zwischen die Sofawand und des liegenden Vaters Beine; oben über ihm lag der schlafende Hund. Hatten wir endlich unsere Glieder zusammengeschoben und in die unbequemste Stellung gebracht, so ging das Erzählen an.«

Abb.46: Jean Paul an der Rollwenzelei.
Gemälde von Theobald von Oer
    Als die Kinder größer waren, zog er sich gern auch von der Familie zurück. Abends saß er in der 1803 gegründeten und noch heute bestehenden Harmonie-Gesellschaft, in der er seit 1805 Mitglied war. Hier konnte er die neuesten Zeitungen und Zeitschriften lesen, Bier trinken, die aktuelle Politik diskutieren oder aber auch in Streit über die Frage geraten, ob er von seinem Pudel begleitet werden durfte oder nicht. Aber auch seine Arbeitsstunden verbrachte er außer dem Hause, und zwar in einem auf halber Strecke zwischen Bayreuth und dem markgräflichen Lustschloss Eremitage gelegenen ehemaligen Zollhaus, das seit 1809 auch Schankberechtigung hatte und noch heute den von Jean Paul stammenden Namen Rollwenzelei trägt. Dessen Wirtin Anna Dorothea Rollwenzel, eine geborene Beyerlein aus Hutschendorf bei Kulmbach, deren zweiter Ehemann Rollwenzel in der Wirtschaft offensichtlich wenig zu sagen hatte, war eine resolute, aber warmherzige Frau, die den sieben Jahre jüngeren Dichter wie eine Mutter umsorgte und seiner Berühmtheit wegen sehr stolz auf ihn war. Morgens wanderte er

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