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Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition)

Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition)

Titel: Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter de Bruyn
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verprügeln, der seine Abhandlung über Missgeburten bösartig verrissen hat. Begleitet wird er von seiner Tochter Theoda, die den berühmten Dichter Theudobach verehrt und zu lieben meint, am Ende aber mit einem weniger eitlen Namensvetter des Dichters glücklich wird. Lesenswert wird diese triviale Geschichte hauptsächlich der beiden männlichen Gestalten wegen, die sich aber nicht mehr wie Siebenkäs und Leibgeber in Freundschaft miteinander verbinden, sondern sich als ins komische Extrem getriebene Personifizierungen von Wissenschaft und Poesie völlig fremd gegenüberstehen. Der Dichter ist dem Doktor nur Objekt der Belustigung, der Doktor dem Dichter nur Modell für ein künftiges Werk. Die Ideale, die der junge Jean Paul einst hatte, werden in Theudobach mit Spott übergossen, Landschaft, Wetter, Mond und Sterne, die einst zum Schwelgen in Gefühlen verführten, werden nur noch parodistisch verwendet, und der einzige Beweggrund von Theudobachs Dichten ist die Eitelkeit. Diesem Geck ist Katzenberger haushoch überlegen, die Einkräftigkeit, die im »Titan« ernsthaft bekämpft wurde, feiert hier im Komischen Triumphe, und doch bleibt die Gestalt des Doktors glaubwürdig, weil er, trotz aller Gefahren, die sich in seinem Spezialistentum verkörpern, immer wieder menschlich und moralisch aufgewertet wird. Seine Jagd nach Monstern macht teilweise lachen, unter zur Schau getragener Kälte schlägt ein warmes Herz für die Tochter, wenn er Kranke behandelt, die arm sind, kann er auf Honorare verzichten, und seine Zynismen, die die vornehme Badegesellschaft erschrecken, heben sich wohltuend von der süßlichen Gefühligkeit des Poeten ab.
    Den Spaß, den Jean Paul, wie er an Otto schrieb, beim Erfinden von Katzenbergers »Sprech-Zynismus« hatte, kann der Leser des kleinen Romans leider nicht durchgängig nachempfinden, weil ihm manchmal nämlich das Lachen über den Enthusiasmus des nach Missgeburten jagenden Wissenschaftlers vergeht. So zum Beispiel wenn der verwitwete Doktor eine weibliche Missgeburt, »wenn sie sonst durchaus nicht wohlfeiler zu haben wäre« , auch heiraten könnte, wenn er sich daran erinnert, dass er die eigne schwangere Frau absichtlich erschreckte, weil er sich dadurch eine Missgeburt erhoffte, oder wenn er sich auf die Hinrichtung eines Posträubers oder auf das Prügeln des Rezensenten, zu dem es nicht kommt, in sadistischer Weise freut.
    Heute kann man den »Katzenberger« als Warnung vor solchen entmenschten Spezialisten wie KZ-Ärzten oder Atombombenbauern lesen, vom Autor als solche gemeint ist er sicherlich nicht. Zu deutlich ist, dass Jean Paul den Doktor komisch, nicht entsetzlich findet, weshalb er ihn aller Welt, vom Fürsten bis zum Dichter, überlegen sein lässt. Wenn erläutert wird, dass sich Ärzte ihrer Unentbehrlichkeit wegen Grobheiten sogar gegen Fürsten leisten können, schließt der Absatz mit den Worten: »Etwas anderes sind Dichter, Weltweise und Moralisten, ja Prediger in unseren Tagen, diese können nie höflich genug sein, weil sie nie unentbehrlich genug sind.« Die Wissenschaft siegt hier über die Poesie, die Realität über die Phantasie. Nur an einer Stelle, wenn die Liebenden sich kriegen nämlich, überwindet der schwärmerische Jean Paul noch einmal den resignierten. Da werden wie in Jugendzeiten beim Schein des Mondes und dem Gesang der Nachtigallen in einer Sommernacht selige Träume geträumt.
    Dieser Stilbruch wird unbedeutend, hält man ihn gegen den des nächsten Buches, das mit »Leben Fibels, des Verfassers der Bienrodischen Fibel« betitelt ist. Wenn sich hier auch einzelne Passagen finden, die zu des Autors schönsten gehören, so ist das Ganze doch eher misslungen, weil sich in die beabsichtigte Parodie auf Biographien berühmter Männer immer wieder Autobiographisches mischte, so dass das komisch Gemeinte mehr zum Idyllischen tendiert.
    Komisch sollte im ursprünglichen Plan des Buches die Biographie Fibels dadurch werden, dass seine zu rühmende Lebensleistung, nämlich die 24 ABC-Verse, an denen auch Jean Paul einst das Lesen erlernt hatte, eigentlich lächerlich ist. Da Jean Paul aber zu der fiktiven Jugendgeschichte Fibels weitgehend die eigne nutzte und er über das weitere Leben des Schöpfers der Fibelverse wenig zu sagen wusste, wirken die parodistischen Töne, die dem Plan entsprechend eingestreut werden, nur deplatziert. Man hat den Eindruck, dass die zur Kindheit des Autors gehörende Fibel ihm eigentlich zum Parodieren zu heilig

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