Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition)
»Der Vermählring beider ist Glanzsucht; er in seinem Alter will mit einem schönen Klavier-Mädchen, sie mit einem durch Europa als Staelscher Kebsmann berühmten Ehemännlein prunken. Hätte sie viel warmes Gemüt, so würde seine Armut daran sie sehr bestrafen. So aber können sie vielleicht eine leidliche Ehe voll paralleler Lobjagden führen.« Seine Bücher aber, die sie gelesen habe, bringe auch ein Schlegel ihr nicht aus dem Kopf.
Die Ehe aber wurde weder leidlich gelebt, noch überhaupt gelebt. Zwar war sie amtlich geschlossen, dann aber nicht vollzogen worden, und am nächsten Tag hatte sich Schlegel verabschiedet und die junge Frau die Scheidung verlangt. Der Klatsch hatte sich also bestätigt, Heine hatte Stoff zu fragwürdigen Späßen, und auch der an diesem Unglück nicht unbeteiligte Jean Paul meinte feststellen zu müssen, dass Sophie »nun weder Jungfrau, noch Ehefrau, noch Witwe, noch Liebende, nicht einmal Geliebte« zu nennen war. Als er im Jahr darauf der Mutter Paulus und ihrer Tochter in Stuttgart begegnete, nahm er von ihnen kaum noch Notiz. Von Heidelberg blieb ihm neben dem Ehrendoktor die Freundschaft mit Heinrich Voß erhalten, den er unter Umgehung des alten Freundes Christian Otto und seines Sohnes zum »unumschränkten Ordner, Chorizonten und Herausgeber« seines literarischen Nachlasses ernannte, was dann aber keine Wirkung hatte, weil Voß vor ihm starb. Auf ihn und Sophie beziehen kann man Jean Pauls Feststellung: »Eine Freundin büßt man leichter ein als einen Freund« .
Todesfälle
Im Mai 1813 erreichten Jean Paul kurz nacheinander mehrere Liebesbriefe einer jungen Frau namens Marianne aus Mainz. Obwohl sie ihren Familiennamen nicht nannte, konnte Jean Paul aus dem Inhalt erraten, dass es sich bei ihr um die Tochter des Mainzer Revolutionärs Adam Lux handelte, der von ihm in seiner Abhandlung »Über Charlotte Corday« gerühmt worden war. Lux hatte sich damals mit Georg Forster zusammen in das revolutionäre Paris begeben, um den Anschluss der Mainzer Republik an die Französische anzubieten, war aber über den blutigen Terror der Jakobiner so entsetzt gewesen, dass er Charlotte Corday, die Mörderin Marats, in Flugschriften verteidigt hatte und deshalb wenige Tage nach ihr auch hingerichtet worden war. »Er starb rein und groß zugleich. … Und kein Deutscher vergesse ihn!« , hatte Jean Paul geschrieben, und dieses Eintreten für ihren toten, in Deutschland oft als Landesverräter verunglimpften Vater hatte in Marianne wahrscheinlich die fixe Idee einer Liebesbeziehung zu Jean Paul entstehen lassen, ohne die ihr das Leben sinnlos und unerträglich erschien. Ein Heiliger, ein Christus war er in ihren Augen, sie wollte zu ihm kommen, ihm dienen, und sei es auch nur als Magd.
Abb.52: Charlotte Corday.
Nach einem Gemälde von Jean Jacques Hauer
Da Jean Paul lange nicht wusste, wie er auf die Anträge dieser offensichtlich gefährdeten jungen Frau reagieren sollte, antwortete er ihr erst auf ihren vierten Brief. Im Namen ihres »dahingegangenen edlen Vaters« bat er sie, ihre Glut zu dämpfen, also Vernunft anzunehmen, und bot sich ihr als Vater-Ersatz an. »Verlasse deine Mutter nicht« , so schloss er den Brief. »Ich komme wahrscheinlicher nach Mainz als du hieher. Ich liebe dich. Ich und meine Frau grüßen dich. Bleibe immer so gut, meine Tochter! Dein Vater Jean Paul Friedrich Richter«. Doch bevor dieser Brief sie erreichte, kam von ihr ein weiterer, in dem sie ihrer Verzweiflung darüber, dass er sie nicht liebe, Ausdruck gab. Da sie darin auch von einem Selbstmordversuch berichtete, den ihre Schwester verhindert habe, beantwortete Jean Paul nun jeden ihrer Briefe, versuchte weiterhin sie in die Rolle einer Tochter zu drängen und ihr auch klarzumachen, dass er ein Heiliger nicht sei. »Sie denken viel zu gut von mir als Menschen, kein Schriftsteller kann so moralisch sein wie seine Werke, so wie kein Prediger so fromm wie seine Predigten.« Aber alle seine Mühen waren vergebens. Manchmal dachte er schon daran, nicht mehr zu antworten, die Frau also ihrem Schicksal zu überlassen, schrieb dann aber doch wieder, erfuhr so vom Tode ihrer Mutter und der Verlobung der Schwester und schließlich, nach einem Jahr etwa, von ihrem Entschluss, aus dem Leben zu gehen. Mit dem Brief zusammen kam auch die Nachricht, dass sie aus dem Rhein, in dem sie versucht hatte, sich zu ertränken, zwar gerettet worden wäre, am nächsten Tag aber gestorben sei. Das bisschen Geld, das
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