Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition)
einst in Berlin mit der Liebe zu Karoline vermischt hatte, fand, als sie ihm in Heidelberg wieder zuteil wurde, ihren Brennpunkt in einer sechsundzwanzigjährigen Sophie Paulus, über die er brieflich zu berichten wusste, dass ihre Lektüre neben der Bibel fast nur in Büchern Jean Pauls bestand. Ihr Vater war ein damals berühmter Theologieprofessor, ihre Mutter, die selbst schriftstellerte, gehörte schon seit Jahren mit der Tochter zusammen der Gemeinde der Jean-Paul-Schwärmerinnen an. Schon 1811 hatten Mutter und Tochter gemeinsam an Jean Paul einen Brief geschrieben, der von ihm jedoch nicht beantwortet worden war. In Heidelberg aber war er fast täglich mit Mutter und Tochter zusammengekommen, hatte aber der Mutter, die vier Jahre jünger als er war, weniger Beachtung geschenkt. Heinrich Voß, dessen Briefe die Geschehnisse dieser Wochen sorgsam registrierten, sorgte sich um Sophie, die ihre Verliebtheit in Jean Paul nicht verbergen konnte, hielt diesen aber anfänglich davor gefeit. Er bat ihn nur darum, die Neigung Sophies, die sie unglücklich machen könnte, nicht zu nähren, aber der von der Neigung der jungen Frau beglückte Dichter erfüllte ihm diese Bitte nicht. Immer hielt er sich in Sophies Nähe auf, und nach einer Reise an den Rhein in größerer Gesellschaft schrieb er ihr am nächsten Morgen aus Mainz, wohin er allein weitergereist war, einen Brief, der mit »Meine Sophie! Das erste hier geschriebene Wort ist an Sie!« begann, an das Zimmer in Mannheim, »worin so viel Liebes gewesen« , erinnerte und ihr dann versicherte, dass sie ihm so unvergesslich sein werde wie die liebliche Landschaft am Rhein. Wenig später reiste er ab. Sein erster Brief aus Bayreuth, in der er Sophie und ihrer Mutter dankte, enthielt den Nachsatz: »Uns scheidet nichts; kein körperlicher Abschied, auch das höchste Glück nicht, das ich dir so innig wünsche« – was doch wohl bedeuten sollte: Hoffe auf kein Glück mit mir! Nach Heidelberg wollte er trotzdem im nächsten Jahr wieder reisen, weshalb Karoline ein Jahr hindurch Eifersuchtsqualen litt.
Wie seine langen Briefe, die er aus Heidelberg an Karoline sandte, vermuten lassen, hatte er selbst in den glücklichsten Stunden an eine Trennung von der Familie ernsthaft nicht denken können, und Bemerkungen wie »Appelsinen gibt’s hier nicht« zeigen, dass er sogar Karolines Einkaufswünsche nicht vergaß. Weil er in der Fremde seine eignen Fehler besser erkannt habe, so schrieb er, könne sie auf ein besseres Eheleben hoffen, und wie eine Selbstberuhigung eigner Unsicherheit klingt es, wenn er Karoline im letzten Brief von unterwegs versichert: »Ich weiß entschieden, dass mein häuslicher Himmel nichts sein wird und kann als die Wiederholung des jetzigen außerhäuslichen; noch dazu wird er ihn an Dauer übertreffen, und dies soll dir wohl tun, meine Treue und Gute!«
Aber ein Jahr hindurch, bis zum nächsten Sommer nämlich, gab es beim Ehepaar Richter keinen häuslichen Himmel, weil Karoline seines festen Vorsatzes wegen, im nächsten Jahr wieder den Sommer in Heidelberg zu verleben, Eifersuchtsqualen zu leiden hatte, die im Mai 1818 unerträglich wurden, als er sich tatsächlich wieder auf Reisen begab. Auf ihre herzzerreißenden Briefe reagierte er teils mit Liebesschwüren, teils aber auch unwillig, weil, wie er behauptete, Sophie ihm nicht mehr bedeutete »als jede gute weibliche Seele« , die er »als Autor kenne« , was sicher gelogen war, sich aber wenig später als Wahrheit erweisen sollte, als sich in Heidelberg die Triumphe des Vorjahres nicht wiederholen ließen, weder die der Liebe noch die des Ruhms. Stadt und Universität gerieten nicht noch einmal über seinen Besuch in Begeisterungstaumel, und das geringe Aufsehen, das er erregte, musste er sich auch noch mit dem ungeliebten August Wilhelm Schlegel teilen, der im selben Gasthof wohnte und auch Sophies Verehrer war. Letzteres freilich ärgerte Jean Paul weniger, als er vor der Reise gedacht hätte, denn wie er feststellen musste, waren seine Gefühle für Sophie kühler geworden, und da er kränkelte und Heimweh hatte, dachte er sogar an eine vorzeitige Abreise. »Ich gehe dieses mal« , schrieb er an Karoline, »ganz anders von Heidelberg fort als das vorige mal, wiewohl auch da nichts in mir war, was dir hätte unlieb sein sollen. Fast zu prosaisch seh’ ich jetzt alles an und die poetische Blumenliebe des vorigen Jahrs ist leider (denn sie war so unschuldig) ganz und gar verflogen, eben
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