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Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition)

Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition)

Titel: Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter de Bruyn
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weil sie ihrer Natur nach keine Dauer und Wiederholung kennt. Was ich mir aber immer wärmer ausmale, sind unsere Abendmahlzeiten. Ach, wahrlich, wir sollten diese Freuden eines noch unzerbrochenen Kreises höher halten und genießen. Wie lange währt es, so zieht Max fort! Allmählich ziehen ihm die anderen nach, und dann sitzen wir beide allein da und zuletzt du ganz allein. Ach, lass uns lieben, so lange noch Zeit zu lieben ist. Ewig der Deinige«.
    Er kehrte also traurigen, aber reinen Herzen in die Familie zurück. Falls er, was unwahrscheinlich ist, kurzzeitig die Illusion eines Neubeginns mit Sophie gehabt haben sollte, war diese vergangen, der Aufsatz über das Immergrün der Gefühle, der durch die Erlebnisse in Heidelberg angeregt worden war, zeigt von solchen Illusionen keine Spur. Anders als in Goethes »Marienbader Elegie«, in der der jugendliche Greis von 74 Jahren sich voller Verzweiflung von seiner letzten Liebe verabschiedet, ist das »Immergrün« des 54 Jahre alten Jean Paul von Verzweiflung weit entfernt. Hier spricht ein alter Mann über die Freuden, die einen auch im Alter noch erwarten, wo nämlich die Wirklichkeiten der Liebe mitsamt den dazu gehörenden Leiden von sehr viel sanfteren Träumen oder auch nur Ahnungen von Liebe ersetzt werden und davon zeugen, dass die Liebe auch in alten Herzen nicht stirbt. »Und darf denn keine alte Hand eine junge drücken, wenn sie damit kein anderes Zeichen geben will als dies: auch ich war in Arkadien, und auch Arkadien blieb in mir.« Und wenn es dann auch noch heißt: »Die letzte Liebe ist vielleicht so verschämt wie die erste« , wird man an den jungen Fritz Richter erinnert, der an einer Fernliebe Genüge zu haben meinte, und auch an Nikolaus Marggraf, den Helden des Altersromans, einen glücklichen Narren, der die Illusion eines Mädchens liebt, das durch keinerlei Realität die reine Schönheit seiner Gefühle stören kann.
    Mit keiner Silbe aber wird im »Immergrün« an die Leiden der Sophie Paulus erinnert, die mit gebrochenem Herzen in Heidelberg zurückbleiben musste, als der Dichter, der die Enttäuschung über das Ende seiner schönen Liebesgefühle in eine nicht weniger schöne Resignation verwandeln konnte, der Neckarstadt wieder den Rücken kehrte und dem nur vier Jahre jüngeren August Wilhelm Schlegel kampflos das Feld überließ.
    Im Gegensatz zu dessen jüngerem Bruder Friedrich, der für Jean Paul und seine Romane Verständnis gezeigt hatte, war sein Verhältnis zu diesem Schlegel, der den überlegenen Intellektuellen und eleganten Weltmann hervorkehrte und als Kritiker früher den Provinzler Jean Paul hart abgeurteilt hatte, von starker Abneigung bestimmt. Wie alle Zeitgenossen fand auch er ihn unausstehlich eitel, wie ihn später auch Heinrich Heine, der ihn 1819 als Student in Bonn kennengelernt hatte, in seiner »Romantischen Schule« als »parfümiert« und »ganz nach der neusten Pariser Mode gekleidet« beschrieb. »Er war die Zierlichkeit und die Eleganz selbst, und wenn er vom Großkanzler von England sprach, setzte er hinzu: mein Freund! Und neben ihm stand sein Bedienter in der freiherrlichst Schlegelschen Hauslivree und putzte die Wachslichter, die auf silbernen Armleuchtern brannten und nebst einem Glase Zuckerwasser vor dem Wundermanne auf dem Katheder standen. … Auf seinem dünnen Köpfchen glänzten nur noch wenige silberne Härchen, und sein Leib war so dünn, so abgezehrt, so durchsichtig, dass er ganz Geist zu sein schien, dass er fast aussah wie ein Sinnbild des Spiritualismus.«
    Aber auch Schlegels Impotenz, von der der Literatenklatsch damals wissen wollte, ließ Heine sich nicht entgehen. In Schlegels erster Ehe mit Karoline Böhmer war von ihm angeblich sein Bruder Friedrich als Rivale geduldet worden; bei der Madame de Staël war er jahrelang nicht Geliebter, sondern bezahlter Hofmeister ihrer Kinder gewesen, und nun hatte er überraschenderweise bei der von Jean Paul enttäuschten Tochter des rationalistischen Theologen Paulus Glück gehabt. Kaum war Jean Paul nach seiner zweiten Heidelberg-Reise wieder zu Hause, wurde die Verlobung von Sophie und Schlegel gefeiert, und vier Wochen später waren die beiden, der Rationalismus mit der Romantik, wie Heine spottete, vermählt.
    Jean Paul ärgerte sich, als sei er der Sitzengebliebene, und entdeckte plötzlich schlechte Züge an Sophie. Gut schreiben könne sie so wenig wie flüssig reden, es fehle ihr an Menschenliebe, und merklich älter werde sie auch.

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