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Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition)

Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition)

Titel: Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter de Bruyn
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sie hatte, war von ihr zum Kauf von Geschenken für Jean Pauls Kinder bestimmt worden. Sie war 27 Jahre alt geworden: Genau so alt war ihr Vater gewesen, als er in Paris umgebracht worden war.
    In ihrem Todesjahr 1814 wurde Paris von den alliierten Armeen der Russen, Österreicher und Preußen erobert, Kaiser Napoleon zur Abdankung gezwungen und der Wiener Kongress zur Neuordnung Europas begonnen, der, nach der Unterbrechung der 100 Tage, in denen Napoleon erneut die Geschicke Europas zu bestimmen versuchte, 1815 mit dem Abschluss der »Heiligen Allianz« beendet wurde, die wohl auch ihrer christlichen Verkleidung wegen anfangs Jean Pauls Zustimmung fand. Dass man in Wien darauf verzichtet hatte, an Frankreich durch Länderraub Rache zu nehmen, und eine den Frieden sichernde Politik anstrebte, entsprach seinen Ansichten, denen er in seiner politischen Schrift »Mars und Phöbus Thronwechsel« auch Ausdruck gab. Als dann aber bald klar wurde, dass man den Frieden auf Kosten der Freiheit zu erhalten gedachte, ging er, wie in seinen »Politischen Fastenpredigten« von 1817 deutlich wurde, wieder in die Opposition. In dem »Großen magnetischen Gastmahl«, einer in den Altersroman »Der Komet« eingefügten Satire auf die Beschlüsse des Wiener Kongresses, in der als Sinnbild der Leibeigenschaft und des Rückschritts »moskowitisches Rindfleisch und Krebspastetel« serviert werden, die Völker aber, wenn sie vom Tisch wieder aufstehen, nicht weniger hungrig als vorher sind. Weniger verschlüsselt attackierte er in den Vorreden zum ersten und zweiten Bändchen seines letzten Romans die Karlsbader Beschlüsse mit ihren Zensurbestimmungen, die erstmalig alle deutschen Staaten betrafen, und verspottete den preußischen Regierungsrat Schmalz, der schon vier Jahre vor der Verfolgung der als Demagogen beschimpften Oppositionellen eine solche öffentlich gefordert hatte und dafür von Friedrich Wilhelm III. mit einem Orden ausgezeichnet worden war. Aller dieser Stellungnahmen wegen war Jean Paul für die in den Burschenschaften organisierten rebellischen Studenten zum Idol geworden und 1817, im Jahr ihres Wartburgfestes, in Heidelberg von ihnen als Kämpfer für die Geistesfreiheit gefeiert worden. Und er, der die Sache, auf die er sich da einließ, gar nicht genauer kannte, nahm diese Rolle geschmeichelt an.
    Was da als Widerstand gegen die restaurativen Tendenzen der Fürsten lautstark oder auch geheimbündlerisch von den Studenten als Fortschrittsidee verkündet wurde, war ein seltsames Gemenge aus Demokratismus, Nationalismus und religiöser Schwärmerei. Die Verherrlichung der Germanen, Kaiser Barbarossa, die Französische Revolution und Jesus Christus bildeten da eine wunderliche Allianz. Jean Paul, der sich in diesen Jahren auch verstärkt zum Deutschsein bekannte, weil das den Willen zur Einheit und zur Brechung der Fürstenmacht meinte, teilte mit den jungen Leuten die Forderungen nach Presse- und Redefreiheit, nach Verfassung und Gesamtdeutschland, lehnte aber ihren damit verbundenen Hass auf Franzosen und Juden, den besonders Jahn und Arndt in die Studentenbewegung hineingebracht hatten, entschieden ab. Bei aller Freude daran, von der politisierten Jugend so verehrt zu werden, konnte es also nicht lange dauern, bis ihm eine Distanzierung von ihnen nötig schien.
    Am 23. März 1819 reiste der Student der Theologie Karl Ludwig Sand, der dem an der Universität in Jena von Karl Follen geführten Geheimbund der »Unbedingten« angehörte, nach Mannheim, eilte zum Hause des viel gespielten Theaterdichters August von Kotzebue, den die Studenten für einen Freiheitsfeind und Vaterlandsverräter hielten, tötete diesen mit einem Dolchstoß und versuchte anschließend, sich selbst zu töten, was aber nicht gelang. Er wurde verhaftet, zum Tode verurteilt und hingerichtet. Die Burschenschafter verehrten den Mörder als Märtyrer, Jean Paul aber, den die Mordtat entsetzte, fühlte sich zu einer öffentlichen Distanzierung gezwungen, weil er, der Charlotte Corday, die Mörderin Marats, verteidigt hatte, der geistigen Urheberschaft der Tat verdächtig war. Denn bei der Verhaftung des Mörders, der übrigens wie Jean Paul aus Wunsiedel stammte, war in dessen Tasche Jean Pauls Corday-Aufsatz gefunden worden, und der Berliner Theologieprofessor de Wette, dessen Trostbrief an Sands Mutter der Öffentlichkeit bekannt wurde, hatte die Motive der von Jean Paul verteidigten Mörderin Marats zur Rechtfertigung von Sands Tat benutzt. Dem

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