Das Leben einer anderen: Roman (German Edition)
Pennsylvania aufgewachsen und hatte als junges Mädchen Kunst studieren wollen. Aber das konnten ihre Eltern sich nicht leisten – ihr Vater arbeitete im Stahlwerk, die Mutter war Hausfrau. Außerdem fanden sie, Malen sei kein anständiger Beruf, wie Val mir einmal erzählt hatte.
Meine Mutter jobbte in Pittsburgh als Kellnerin, als ihr eines Tages ein Mann seine Visitenkarte gab. »So schlank und groß, wie Sie sind, könnten Sie als Fotomodell arbeiten«, sagte er ihr – eine uralte Geschichte, die Val aber nicht kannte. »Wenn Sie mal in New York sind, rufen Sie mich an, dann mach ich was aus Ihnen.«
Val legte keinen Wert darauf, Fotomodell zu werden. Aber die Großstadt klang verlockend für sie, und noch verlockender war es, von den Eltern wegzukommen. Onkel Ted schoss ihr hundert Dollar vor, und fünf Tage später saß sie im Bus nach New York.
Es stellte sich heraus, dass ihre Aufgabe daraus bestand, mit zehn Zentimeter hohen Stöckelschuhen und in einer Art mit Federn und Strass verzierter Unterwäsche in einer Bar am Times Square herumzuspazieren und mit einem Bauchladen Zigaretten und Süßigkeiten zu verkaufen. Donnerstagabends ging sie dann ins Metropolitan Museum und fertigte dort Skizzen von Gemälden an, die ihr gefielen.
Aber ein Kunststudium stand dennoch außer Frage. Valerie hatte schon genug damit zu tun, überhaupt die Miete zu verdienen, zumal sie immer schon schlecht mit Geld umgehen konnte. Sobald sie mal ein paar Dollar übrig hatte, stellte sie etwas Verrücktes damit an. Sie kaufte teure Pastellfarben oder eine goldene Lederhandtasche, die sie bei Macy’s im Schaufenster gesehen hatte, obwohl sie gar keine Verwendung dafür hatte.
Bei ihrem Job als Zigarettenmädchen lernte sie George kennen. Er erzählte ihr, er sei Schriftsteller und wolle in New York einen Verleger treffen, der seinen Roman kaufen würde. Sie wollten die Vertragsdetails besprechen. (Später stellte sich heraus, dass es sich dabei um eine Anzahlung von fünfhundert Dollar von George an den Verleger handelte, der Gezähmtes Verlangen veröffentlichen sollte. Aber zumindest an diesem Abend war George nicht mehr weit entfernt davon, der nächste Erle Stanley Gardner zu werden.)
Nach all den Vertretern, die Val kennengelernt hatte (nichts ahnend, dass sie in Kürze mit einem verheiratet sein würde), fand sie es aufregend, einem Schriftsteller zu begegnen. Und sie erzählte ihm, sie wolle Malerin werden.
»Hey, wir sollten in eine Gegend wie Vermont oder New Hampshire ziehen und auf dem Land leben«, erwiderte George darauf. »Und dann schreibe ich dort meine Bestseller, und du malst wunderschöne Bilder.«
Zwei Wochen später waren sie unterwegs Richtung Norden.
Jahre später, als Val und George in ihren Vierzigern waren und in einer skurrilen Wohnung unweit von Cocoa Beach in Florida lebten – ihrer letzten gemeinsamen Bleibe, bevor George endgültig verschwand –, ging George zu einer Kunstauktion, die er in der Zeitung entdeckt hatte. Als er zurückkam, hatte er den größten Teil seiner Ersparnisse – wenn ich mich recht entsinne, an die achttausend Dollar – für Bilder ausgegeben, von denen er der Ansicht war, dass man sie mindestens für den dreifachen Preis wiederverkaufen könnte. Ein paar Tage darauf ließ er einen Experten kommen, der die Bilder begutachten sollte.
Darunter befand sich ein Gemälde, das angeblich von Salvador Dalí stammte, sowie ein Fernand Léger, eine Cowboy-Statue von Frederic Remington und eine Zeichnung von einem Schüler Leonardo da Vincis mitsamt einem Echtheitszertifikat.
Der Experte brauchte keine fünf Minuten, um zu erkennen, dass es sich samt und sonders um Fälschungen handelte. George war auf einen der ältesten Tricks des Gewerbes hereingefallen.
Der Experte wandte sich gerade zum Gehen, als er über unserer Couch ein Gemälde von einer Zigarette rauchenden Frau mit rotem Hut bemerkte. »Von wem ist das?«, fragte er, ernsthaft interessiert. »Sie haben ja doch etwas Brauchbares hier.«
Das Bild war von Val. Wir hatten eine Kammer voller Gemälde von ihr. Es gab keinen Markt für diese Art von Malerei – damals nicht und später auch nicht. Als George dann endgültig verschwunden war, verdiente Val ein bisschen Geld, indem sie Glückwunschkarten malte oder pastellfarbene Porträts von Kindern. Fünfzig Dollar bekam sie pro Porträt, fünfundsechzig, wenn zwei Köpfe auf dem Bild waren.
Alles in allem war die Freundschaft zwischen einer Familie wie unserer mit
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