Das Leben einer anderen: Roman (German Edition)
Leuten wie den Planks ausgesprochen unwahrscheinlich. Wobei wir auch nicht wirklich mit ihnen befreundet waren. In all den Jahren, in denen wir Karten und Briefe von der Plank-Farm bekamen – die uns nicht selten von unserer letzten Adresse nachgeschickt wurden –,war Val erstaunt darüber, dass Connie so hartnäckig an der Verbindung zu uns festhielt.
Einmal beim Abendessen – Linsen, Sellerie und Rote-Beete-Saft – las Val uns einen Brief von Connie vor, wobei sie Connies Tonfall imitierte und dabei auf eine Art lachte, die ich damals als unfair empfand.
»Richte Dana doch bitte aus, dass unsere Ruth nun in die wunderbare und besondere Lebensphase, eine Frau zu sein, eingetreten ist«, hatte Connie geschrieben. »Sie würde sich auf jeden Fall freuen, wenn Dana ihr von ihren eigenen Erfahrungen auf diesem Gebiet berichten würde.«
Ray spuckte fast seinen Saft auf den Tisch, als er das hörte. »Die besondere Lebensphase, eine Frau zu sein?«, wiederholte er mit halb erstickter Stimme.
»Als würde ich einem Mädchen schreiben, das ich kaum kenne«, sagte ich. Und dann ausgerechnet über die Menstruation.
Wenn wir überhaupt an die Planks dachten – was nicht häufig vorkam –, machten wir uns über sie lustig. Aber wir bekamen immer eine Weihnachtskarte von ihnen, und merkwürdigerweise schickte Val auch jedes Jahr einen Weihnachtsbrief – einen Linolschnitt von ihr, und manchmal legte sie das Familienfoto des Jahres bei, das George mit dem Selbstauslöser machte, damit er auch drauf war. Und meist statteten wir jedes Jahr im Sommer dem Verkaufsstand der Plank Farm einen Besuch ab – während der Erdbeersaison, in der Zeit von Ruths und meinem Geburtstag.
Ich glaube, es interessierte Val mehr, als sie zugeben wollte, was sich bei Planks ereignete und was sie über uns dachten. Connie Plank hatte Ähnlichkeit mit einer hungrigen Katze, die hartnäckig so lange an der Tür auftaucht, bis man sie schließlich zu füttern beginnt.
»Edwin tut mir leid«, sagte Val einmal. »Er lebt mit dieser Frau, aber man merkt doch, dass sie ihn in den Wahnsinn treibt. Er hätte eine andere Frau heiraten sollen.«
Doch etwas war seltsam: An irgendeinem Weihnachtsfest, als wieder der übliche Brief mit den üblichen Berichten (wie viele Kälber in diesem Frühjahr geboren worden waren, wie es den Mädchen in der Schule erging, was sich bei Kirchenfesten und dem Basar ereignet hatte, gefolgt vom Dank an Gott für seinen Segen) eintraf, merkte ich, dass die Planks mir fehlen würden, falls Connie einmal nicht mehr schreiben sollte. Vor allem die Sommerbesuche am Verkaufsstand hatte ich schätzen gelernt. Und ich mochte das Gefühl, dass die Farm immer da sein und sich kaum verändern würde – wenn es schon sonst kaum etwas in meinem Leben gab, das Bestand hatte.
Ich interessierte mich für das Leben auf der Farm, und wenn wir zur Erdbeersaison dort waren, ließ der viel beschäftigte Edwin Plank immer alles stehen und liegen und zeigte mir seine neuesten Errungenschaften. Er erklärte mir zum Beispiel, warum er zwei Kuhrassen hielt, Guernseys für die Sahne und Holsteiner für die Milch. Einmal probierte er gerade eine chinesische Bohnenart aus; die Samen hatte er von seinem einzigen chinesischen Kunden bekommen.
Ein anderes Mal förderte er aus seiner Jackentasche eine Kartoffel zu Tage, die ihm beim Umgraben an einem der Hügel aufgefallen war.
»Was sagt man dazu«, meinte er. »Das Ding sieht doch Lyndon Johnson zum Verwechseln ähnlich.«
Im Rückblick finde ich erstaunlich, dass er schon so früh mein Interesse an solchen Dingen bemerkte. Ich weiß noch, dass er in einem Jahr ganz aufgeregt war (so aufgeregt wie ein Mann wie Edwin eben wirken konnte) über eine neue Maissorte, die das Aroma von gelbem Mais und die Süße und Knackigkeit von weißem Mais miteinander vereinte. Einmal erzählte er mir die Geschichte der Big-Boy-Tomate, der ersten Hybride, die kommerziell vertrieben wurde; der Sohn eines ukrainischen Farmers hatte sie entwickelt, und die Samen wurden ein Jahr vor Ruths und meiner Geburt auf den Markt gebracht – 1949.
»Stell dir nur vor, man erfindet eine ganz neue Gemüseart«, sagte Edwin, als er mir eine der Tomaten reichte. »Das wäre ein echtes Vermächtnis für die Enkel.«
Obwohl ich noch ziemlich klein war bei diesen Besuchen – einmal im Jahr machte ich mit Edwin diesen Rundgang, während Connie unterdessen Val im Haus Kaffee servierte, und zwar echten, keinen Rührkaffee –,
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