Das Leben einer anderen: Roman (German Edition)
Zaumzeug unserer alten Ackergäule. Sie kamen damals schon nicht mehr zum Einsatz, aber mein Vater meinte, sie hätten es verdient, auf Weiden alt zu werden, die ihnen vertraut waren.
Als Erstes steuerte mein Vater die Futtervorräte an. Da schaute er meist endlich auf, nickte und sagte: »Willst du mithelfen, Ruthie?«
Dann gaben wir den Kühen Futter – mein Vater ging voraus, und ich, stets übereifrig dabei, folgte ihm auf dem Fuße. Mein Vater beförderte das Heu mit der Gabel auf eine Schubkarre und verteilte es an die Kühe. Ich tappte hinterher, versuchte, so zu pfeifen wie er, und scharrte mit einer Hacke den Mist in die Rinne, aus der wir ihn später herausholten.
Dabei dachte ich gerne daran, wie die Dinge auf unserer Farm miteinander verbunden waren: Das Heu, das die Kühe fraßen, war hier auf den Feldern gewachsen, und der Mist, den die Kühe erzeugten, indem sie das Heu kauten, würde im Frühjahr wieder auf dieselben Felder zurückkehren, um die Erde zu düngen und den ganzen Kreislauf von vorne zu beginnen.
Während die Kühe fraßen, wurden sie von meinem Vater gemolken. Dabei bestand meine Aufgabe darin, einen Eimer mit Wasser und Desinfektionsmittel zu füllen und mit diesem Gemisch die Euter unserer vier Kühe – zwei Guernseys, zwei Holsteiner – abzureiben, damit diese sich nicht entzündeten. Und manchmal, wenn ich vor meinem Vater mit der Arbeit fertig war, kletterte ich auf den alten Model T Ford, der im Stall aufbewahrt wurde, und spielte Autofahren.
Mein Vater fand, dass wir keine neumodischen Melkmaschinen bräuchten, weil das althergebrachte Melken von Hand ausreichte. Dazu faltete er sein langes Gestell zusammen, um sich auf dem dreibeinigen Melkschemel niederzulassen, lehnte die Stirn an den Bauch der Kuh und bearbeitete rhythmisch die Zitzen. Die warme Milch floss in den Eimer, und unsere alte Stallkatze Susan lauerte schon auf ihren Anteil. Den sie auch verdient hatte, meinte mein Vater, weil sie dafür sorgte, dass sich die Mäuse im Stall nicht übermäßig vermehrten.
Wenn wir in der Scheune fertig waren, stiegen wir in unseren alten Dodge Pick-up und drehten eine Runde über die Felder. Mein Vater war so schweigsam, dass man hätte glauben können, er bemerke mich gar nicht. Aber er ließ den Motor nie an, bevor ich nicht neben ihm und Sadie auf dem Vordersitz saß. Auf dem Armaturenbrett lag ein Notizbuch, in dem er jeden Tag die Wetterlage, die Niederschläge und Erfahrungen aus dem Anbau eintrug – mit Kommentaren wie: »Neigt zu Wurzelfäule. Nächstes Mal in trockenen Boden setzen« oder: »Zu viele Blätter, nicht genug Ertrag. Nicht mehr nehmen«.
Wir klapperten die Stationen ab wie der Milchmann: schauten nach dem Kohl auf dem einen Feld, nach den Möhren auf dem nächsten, überprüften, wo Unkraut gerupft oder ausgedünnt werden musste und was schon geerntet werden konnte. Mein Vater hatte immer einen Eimer voller Scheren und Messer dabei, mit denen er Brokkoli, Kohlköpfe oder Salat abschneiden konnte. Manchmal knabberte ich auch eine Möhre, die er mir frisch aus dem Boden gezogen hatte.
Wenn wir bei dieser morgendlichen Arbeit überhaupt sprachen, dann nur ein paar Worte. Meist blieb mein Vater stumm oder pfiff vor sich hin. Aber ich liebte diese Stunden mit ihm, weil ich ihn ganz für mich alleine hatte. Und ich freute mich schon auf das Ende des langen Arbeitstages, wenn wir zusammen in unserem Teich schwimmen gingen – mein Vater in seinen Boxershorts, ich in der Unterwäsche – und unsere zwei Paar Schuhe (seine schweren Arbeitsstiefel und meine Turnschuhe) nebeneinander am Ufer standen.
Meine Schwestern schwammen nicht gern, aber ich war wie ein Fisch, meinte mein Vater. Er brachte mir das Kraulen bei und zeigte mir, wie man unter Wasser die Luft anhält. Und in dem Sommer, in dem ich sieben oder acht wurde, führte er mir vor, wie ich von dem großen Felsen ins Wasser springen konnte.
Danach gingen wir nach Hause zum Abendessen. Meine Mutter muss unsere feuchten Haare jedes Mal bemerkt haben. Sie äußerte sich zwar nie dazu, strahlte aber eine gewisse Missbilligung aus. Der Teich war ihr nicht geheuer, und sie machte einen Bogen um ihn wie meine Schwestern auch. Das Schwimmen interessierte nur meinen Vater und mich. Und der Teich gehörte uns ganz alleine.
Dana
Garten auf dem Fenstersims
A uf dem Heimweg von der Schule beobachtete ich manchmal andere Kinder mit ihren Vätern und fragte mich, wie es sich wohl anfühlte, so jemanden als Vater
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