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Das Leben Findet Heute Statt

Das Leben Findet Heute Statt

Titel: Das Leben Findet Heute Statt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruder Paulus Terwitte
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niedergemacht. Jede echte Begegnung wird durch die ironische Grundhaltung unmöglich. Man redet nur noch in Anführungszeichen. Die «heilige» Kirche oder die «fleißigen» Beamten. Das «aktive» Ministerium oder die «engagierte» Politikerin. Man ist sich einig, wie schlimm die Welt ist und wie furchtbar der Nachbar. Die Konzerne, das weiß ja jeder, sind voll von Managern, die nur ihre persönliche Karriere verfolgen. So geht das in einem fort. Ein ganzes Volk geht auf Distanz. Und ergeht sich in feiner Ironie.
    Wer ironisch ist, meint das Gegenteil von dem, was er gerade äußert. Vor allem Wörter, die Werte meinen, fallen der Distanzierung zum Opfer. Von ironischer Anspielung über spielerischen Spott und die Polemik bis hin zum Sarkasmus werden Liebe, Vertrauen, Tatkraft, Gemeinschaftssinn und vieles andere zum Thema von Sendungen, die in Comicform oder echter Spielhandlung die Leute zum Lachen bringen wollen. Der ironische Unterton sorgt dafür, dass man schön auf Distanz bleibt. So bringt man sich gar nicht erst in die Gefahr, dem zu begegnen, was wertvoll ist. So hält man sich den Werteanspruch vom Leib.
    Da dürfen die Kirche und ihre «guten» Hirten natürlich nicht fehlen – die Anführungsstriche machen deutlich, dass nicht sein kann, was nicht sein darf. Gäbe es so etwas wie verlässlich gute Menschen in der Kirche und solche, die fürsorglich und herausfordernd führten, gemäß echten Motiven, müsste man sich ja letztendlich noch damit beschäftigen. Und schließlich kommt auch noch Gott dran, der «liebe» Gott. Der, man glaubt es kaum, von manchen tatsächlich noch gedacht wird als ein Gott «im Himmel» – als könnte es so etwas geben. Um sich dem nicht stellen zu müssen oder, wir stehen an der Klosterpforte, um nicht in den Himmel eintreten zu müssen, hat sich ein ironisches Grüß-Gott-wenn-du-ihn-siehst! breitgemacht. Der Gruß war einst ein Segen: Gott sende dir einen Segensgruß. Das ist vor einer Begegnung hilfreich. Der, der sich wirklich auf jemanden einlassen will, der weiß ja nicht, was kommen wird. Da möge, so der Wunsch, Gott schon einmal vorausgehen. Seine Gegenwart ermutigt dazu, sich hier und heute wirklich einzulassen.
    Die Verballhornung macht aus dem Segen einen Witz. Man gibt sich vielsagend und wissend – dass Gott nämlich nicht da ist – und löst durch den vermeintlich lockeren Scherz die Spannung auf, die in der Begegnung liegt. Man möchte sich nicht ansprechen lassen. Es soll ja alles so bleiben. Segen zu erbitten hieße, man hätte nicht alles im Griff. Die ironische Betrachtung führt Gott für die eigenen Zwecke im Mund. Man will überheblich wirken, um die Situation unter Kontrolle zu haben. Denn was soll der andere antworten können auf das abfällige Wenn-du-ihn-siehst? Die Leichtigkeit, mit der selbst mir das hingeworfen wird, belegt zudem, wie sicher der Sprecher sich sogar gegenüber einem Gottesmann fühlt. Seine Ironie soll auch mich treffen: Außer ein paar Hinterwäldlern tritt doch sowieso niemand mehr ernsthaft für Gott ein.
    Und was eine vermeintliche Minderheit vertritt, darf man lächerlich machen. Denn die Mehrheit, ja die Mehrheit glaubt, sie könne nur glauben, was sie sieht. Und Gott sieht man nicht. Gott ist kein Ernst, flößt uns die Ironie in der Sprache ein. Und was man nicht ernst nehmen muss und auch gar nicht ernst nehmen kann, das kann einem auch nicht gefährlich werden.
    Wir hier im Kloster nehmen Gott ernst. Deswegen nehmen wir mit der Gestaltung unserer Pforte auch die Menschen ernst, die sich auf den Weg zu uns machen. Viele hoffen nämlich, dass sie bei uns von Ironie verschont bleiben. Sie suchen Mitmenschen, die nicht durch ein herablassendes Gerede über Gott und die Welt auf Distanz gehen. Bei uns Kapuzinern gilt das Wort unseres Ordensgründers. Die Brüder sollen, wie Franziskus schreibt, mit jedermann «anständig reden, wie es sich gehört» und «unterwegs kein Wortgezänk» beginnen. (Dass es das trotzdem auch im Kloster gibt, damit rechnen wir. Sie wissen es schon: wegen der Erbsünde   …) Wer zu uns an die Pforte kommt, darf echte Begegnungen erwarten, in denen man sich nicht verstecken muss. Er darf auf Mitmenschen hoffen, denen man zeigen kann, was wirklich los ist im eigenen Leben. Wer zu uns kommt, braucht seine Probleme nicht auf die lange Bank zu schieben. Immer wieder bin ich davon berührt, wie viel Vertrauen unser Kloster in Menschen weckt. Hier ist der Ort, an dem gemeint wird, was man sagt.

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