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Das Leben Findet Heute Statt

Das Leben Findet Heute Statt

Titel: Das Leben Findet Heute Statt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruder Paulus Terwitte
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noch im Kommen ist. Noch einmal die Nonne Silja Walter:
    Jemand muss es glauben,
    zu Hause sein um Mitternacht,
    um dir das Tor zu öffnen
    und dich einzulassen,
    wo du immer kommst.
    Herr, durch meine Zellentüre
    kommst du in die Welt
    und durch mein Herz
    zum Menschen.
    Was glaubst du, täten wir sonst?
    Wir bleiben, weil wir glauben.
    Zu glauben und zu bleiben
    sind wir da   …
    Es geht darum, ganz präsent zu leben. Wer die eigenen Ziele zu hoch steckt, kann davon erschlagen werden. Er kommt keinen Schritt voran, weil er wie das Kaninchen auf die Schlange schaut. Wenn ein Karriereberater jungen Menschen dann auch noch eine Software anbietet, mit der man seine Karriere planen kann, möchte ich am liebsten ein Giftzeichen auf den schicken Laptop malen und sagen: «Ich weiß schon, wo jede Karriere endet!»
    Die Zahl der Studienabbrecher ist erschreckend hoch. Drei-, viermal müssen die jungen Leute ansetzen, um auf den rechten Weg zu kommen. Nicht eine Ausbildung, nein, zwei oder besserdrei müssen absolviert werden, damit es dann, später, endlich zum richtigen Berufseinstieg kommt. Viel zu oft höre ich den Satz: «Ich will Geld verdienen.» Das ist das Echo der Rede von uns Älteren. Wir sprechen davon, dass nur der wirklich lebt, der ganz oben angekommen ist. Wir vermitteln ihnen den Eindruck, dass sie nur etwas wert sind, wenn sie auch entsprechend viel verdienen. Sie fahren auf diese Reden erschreckend gehorsam ab. Die Generation «Praktikum» wird nicht nur ausgebeutet. Sie lässt sich auch ausbeuten, weil sie sich vertrösten lässt: Wenn du später etwas zu sagen haben willst, musst du heute schön still sein. Wenn du später genießen willst, etwas sein willst, musst du heute ertragen, ein Nichts zu sein. Als der Lehrling noch das Teilstück feilte und nicht genau wusste, wozu, hatte er wenigstens noch Vertrauen in den Meister. Der lehrte ihn, das Einzelteil sorgfältig zu feilen, als sei es das Wichtigste, das es im Leben gibt. Da war die Liebe zum Detail noch möglich, weil der Glaube noch lebendig war, dass niemand im Leben alles erreichen kann und jeder, wo immer er auch stehen mag, letztlich nicht mehr tut, als an dem Stück zu arbeiten, das ihm zugeteilt ist. Damit war die Hoffnung verbunden, dass alles zu einem großen Ganzen zusammengefügt werden will, und zwar zu einer Zeit, die wir nicht in der Hand haben. Dieser Glaube, von Kritikern als Vertröstung in Misskredit gebracht, hat stark gemacht für das Heute. Der moderne Glaube aber, dass alles in unserer Hand läge und wir alle einmal groß und reich und stark sein werden – man möchte am liebsten sagen: einer gegen den anderen   –, macht schwach. Ein Traum, der uns überfordert. Weil wir der Vision nicht dienen können, die uns einfordert.
    Die Trägheit schwindet, wenn man der Vision traut, die nicht dem eigenen Glück dient, sondern dem Glück derer, die wir lieben.Oder doch zumindest lieben sollten. Es entsteht ein Friede, wenn Teilziele erreicht werden. Wir empfinden Freude, weil die Vision durch unserer Hände Arbeit einen Schritt weiter ins Leben der Welt eingebrochen ist.
    Die Arbeit geht einem leichter von der Hand, wenn man sich nicht ständig hinziehen lässt zu der Verheißung eines Trosts, der dann kommen wird, wenn alles verwirklicht ist. Man wird nur traurig darüber, dass man es noch nicht geschafft hat.
    Sie können es machen wie wir Brüder: Stecken Sie sich die Ziele so, dass Sie sie mit Freude in Teilzielen erreichen können. Unsere Augen sind oft größer als unser Mund. Das gilt auch hier: Wir sehen oft mehr, als wir können. Darum ist die demütige Anerkennung unserer Grenzen ein wichtiger Bestandteil glücklicher Arbeit. In jedem kleinen Schritt kündigt sich das Ganze ja schon an. Die Kunst ist es, nicht immer nach vorn zu schielen, sondern die Vollendung schon wie von selbst ins Heute hineinkommen zu sehen.
    Wer auf dem Bau arbeitet: Eine Baustelle hat ihre eigene Schönheit. Wer kocht: Jedes Reiskorn trägt die Energie der Sonne in sich. Wer schreibt: Jeder Text wird oft gelesen und geändert. Jetzt und hier sind die Teilziele behutsam zu ergreifen und im wahrsten Sinn des Worts wertzuschätzen: So überwindet man die Trägheit, die einen dazu verführt, alles liegenzulassen, oder die Wut über die eigene Unvollkommenheit, die einen so oft dazu bringt, alles hinzuschmeißen – weil man ja doch nicht das fertigbringt, was man fertigbringen wollte. Wie befreiend, wenn einem klar wird, dass im Entstehen sowieso

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