Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Leben Findet Heute Statt

Das Leben Findet Heute Statt

Titel: Das Leben Findet Heute Statt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruder Paulus Terwitte
Vom Netzwerk:
noch nicht zu sehen ist, was daraus werden wird. Schon deswegen lohnt es sich, jeden Versuch wertzuschätzen, jedes Wort, das man schreibt, ernst zu nehmen.
    Jedes Wort hat seinen eigenen Wert, weil es inspiriert ist voneiner Idee. Franziskus, unser Ordensgründer, las jeden Papierschnipsel vom Boden auf, der mit Buchstaben beschrieben war. Seine Begründung: Weil mit diesen Lettern der Name Jesu und der Name Gottes gestaltet werden können. Was für eine wunderbare Idee. In allem steckt Anfang und Ende der Welt. In jedem Detail ist das Ganze schon enthalten. Für die Arbeit heißt das: Jeder Handschlag, jedes Nachdenken, alles Kochen und Jäten, Bohren und Putzen haben ihren Wert nicht nur als vollendetes Werk, sondern sind in sich sinnvoll und schön als Schritt in Richtung des Fertigen und Wunderbaren. Was wir auch tun: Der Augenblick ist die Tür, durch die Gott in unser Leben eintritt. Es gibt keine geringwertige Arbeit. Wer ganz in seiner Aufgabe aufgeht, der öffnet dem Himmel eine Tür. Wer sich darauf verlässt, dass das Ganze schon fertig werden wird, kann ganz beruhigt und konzentriert heute schon anfangen, vollendet zu leben.

10.   Der Zellengang
    «Wenn der nicht wär’   …» Oder: Wider die gefühlte Nächstenliebe
    Im Wohnbereich der Brüder hat jeder seine eigene Schlafzelle. Wer in der Seelsorge tätig ist oder studiert, hat auch noch eine Arbeitszelle. Die anderen Brüder arbeiten im Haus und haben dort ihre Arbeitsräume. Dass jeder Bruder einen eigenen Schlafraum hat, geht auf einen Gedanken des heiligen Franziskus zurück. Die Mönche in den großen Abteien der Benediktiner verbrachten damals ihre Nachtruhe in großen Schlafsälen. In der ersten Unterkunft, die Franziskus mit seinen Brüdern teilte, schrieb der Heilige ans Kopfende der Schlafstelle den Namen eines jeden Bruders. So kommt es, dass die franziskanischen Orden auch heute noch Wert auf einen für jeden Bruder namentlich gekennzeichneten Ort im Gemeinschaftsleben legen. Da gehörst du hin. Hier sollst du sein.
    Es war für mich sehr ergreifend, als ich vom Noviziatsleiter mein Namensschild für die Zellentür erhielt. Mein Zimmer im Elternhaus hatte ich verlassen. Jetzt wurde mir ohne Vorleistung ein Platz in meinem neuen Zuhause gegeben. Vielleicht ist es mir deswegen noch heute so wichtig, einem Bruder, der neu in die Gemeinschaft kommt, den Namen zuvor an die Tür zu schreiben und ihm die Serviettentasche zu beschriften. So fühlt er sich gleich willkommen. Mit der Wäsche halten wir es übrigens genauso: Jedes Kleidungsstück hat ein Etikett mit dem Namen des Eigentümers. Zelle, Serviettentasche, Kleidung – derName ist Wegweiser, und er ist die Grundlage für die Ordnung im Miteinander.
    In der Regel kommt jeder Ordensname nur einmal in der Gemeinschaft vor. Bis vor 40   Jahren war es deswegen Pflicht, dass jeder junge Mann, der Kapuziner werden wollte, einen neuen Namen erhielt. Bonaventura und Fridolin sind da ja noch zu vertreten. Aber Agricola oder Homobono – sie mögen zwar gelebt haben und Heilige gewesen sein   –, aber wem solch ein Name sein Leben lang anhaftete, war verständlicherweise nicht gerade glücklich damit. Der Grund für die Namensgebung ist einfach: Mit dem Ordensleben beginnt ein neuer Lebensabschnitt. Man entschließt sich, von jetzt an sein Denken und Handeln ausschließlich nach Gott und den Mitmenschen auszurichten. Man nimmt sich vor, bei allem nur noch auf die Heiligkeit Gottes und die des Menschen zu sehen, kurz: ein Heiliger zu werden.
    Mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil hat sich die Einstellung zur Namensgebung geändert. Seitdem sieht man in der katholischen Kirche, dass alle Christen durch die Taufe zu einem heiligen Leben berufen sind und dass sie es leben können, egal, ob sie im Kloster sind oder ein weltliches Leben als Christ gestalten. Zu der Zeit, als ich in den Orden eintrat, war es deswegen jedem freigestellt, ob er seinen Taufnamen behalten oder lieber ändern wollte. Und man konnte sich auch aussuchen, welchen Namen man haben wollte. Mir war es wichtig, meinen Taufnamen Bernd abzulegen und mir als Namenspatron den Apostel Paulus zu wählen. Der war offen, tatkräftig und grenzüberschreitend, wenn es um die Mission ging. Er erfuhr eine radikale Änderung in seinem Leben: Aus einem Christenverfolger wurde ein engagierter Christ. Mir erschien das ein gutes Vorbild zu sein. Insgeheim hoffte ich auch, dass der Apostel Paulus im Laufe meines Kapuzinerlebens ein guter

Weitere Kostenlose Bücher