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Das Leben Findet Heute Statt

Das Leben Findet Heute Statt

Titel: Das Leben Findet Heute Statt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruder Paulus Terwitte
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Abzahlung der Kredite, die man sich für das Leben vor den Kindern erlaubt hat.
    Die Generation junger Menschen, die jetzt Eltern sein könnten, verzehrt lieber, was die Alten erarbeitet haben. Warum soll man auch einen Schatz weitergeben, den man empfangenhat? Erst muss man sich doch selbst mal was leisten. Die Alten werden Schmarotzer genannt, weil sie, so wird gesagt, die Zukunft der Gesellschaft belasten. Eine erbärmliche Weinerlichkeit der Zeitgenossen, die heute eigentlich zupacken müssten, erdreistet sich, im Schafspelz der Sorge um die Zukunft der eigenen Rente in Wahrheit als reißender Wolf jene wegzubeißen, die – und das rächt sich jetzt – alles für ihre Kinder getan haben. Denn dadurch haben diese das Arbeiten nie richtig gelernt. Sie sind in einem diffusen Gefühl gefangen, ein Recht zu haben, bis zum Lebensende versorgt zu werden. Sie hängen ewig am Tropf der Pension von «Papa und Mama» und auch noch von «Oma und Opa». Nach der Scheidung zieht man wieder in sein Kinderzimmer. Als gäbe es ein Recht auf ewige Versorgung. Die Eltern als Lebensversicherung. Hotel Mama als Ausweichquartier. Ich bin immer wieder erschüttert, mit welcher Opferbereitschaft Eltern ihre schon längst erwachsenen Kinder wieder aufnehmen.
    Mit Liebe hat das nichts zu tun. Die Liebe will den anderen auf die Füße bringen. Sie bringt die Wahrheit ins Spiel: Jeder Mensch kann sich bewegen. Keiner darf sagen, der andere sei schuld, dass man nicht weiterkäme. Jeder hat einen Namen bei Gott, der von keinem ausgelöscht werden kann. Jeder hat Wert und Würde, jeder hat Rechte und Pflichten. Jeder darf den anderen stören. Und jeder hat die Pflicht, sich vom anderen stören zu lassen. Jeder hat das Recht, sich zu entfalten. Und jeder hat die Pflicht dazu.
    Die Tradition der Kapuziner hat Charaktere hervorgebracht, die sich entfaltet haben in der tagtäglichen Bejahung der Brüder, die ihnen «der Herr gegeben hat». Wir müssen in Deutschland wieder dahin kommen, dass wir unseren Nächsten nicht als lästige Störung empfinden, vor der wir uns schützen müssen. Sie können damit beginnen. Heute. Ihre Kollegen sind ein Geschenkauf Ihrem beruflichen Weg. Sie sind ganz anders, als Sie sich das wünschen. Dann werden Sie doch einfach anders und beginnen Sie die Entdeckung Ihres Mitmenschen als Bruder beziehungsweise Schwester. Geben Sie doch Ihren Mitmenschen innerlich die Erlaubnis, Ihnen begegnen zu dürfen. Fragen Sie nach deren Namen. Sprechen Sie mit ihnen darüber, wie sie zu diesen Namen gekommen sind. Lassen Sie andere in Ihre Welt Einblick nehmen; wir sind nicht von lauter Feinden umgeben.
    Die Menschen, mit denen wir zusammenkommen, werden nie so sein, dass sie uns passen. Kapuziner erleben das in ihrem Kloster, Eheleute nach dem ersten Ehejahr und Eltern mit ihren Kindern. Wollten wir uns alle vertrösten auf den Tag, an dem alle so sind, wie wir es uns vorstellen, würden wir die Zellentüren unserer Einsamkeit nie öffnen.
    Der Schritt aus meinem Leben in die Welt und auf andere zu ist von dem Abenteuermut getragen, der Liebe heißt: «Weil du mir gegeben bist, so ganz anders, als ich dachte, nehme ich dich an. Und werde durch dich zu einem Menschen, der ganz anders ist, als er es bis jetzt von sich dachte. Wenn du nicht wärst, könnte ich nicht sein. Lass uns heute anfangen, neu zu leben.»

11.   Der Klostergarten
    «Das ist doch natürlich.» Oder: In Ordnung bleiben
    Wir treten nun ins Freie. Es ist Winter, und Sie haben einen weiten Blick in den Garten. Im Sommer ist die Sicht durch die belaubten Bäume eingeschränkt. Einige Schritte bloß, und wir stehen an einem kleinen Fischteich. Dahinter beginnt ein Gemüsebeet. Die Wege sind von Beerensträuchern gesäumt. Einige Flächen liegen brach. Die Gemeinschaft ist nicht mehr so groß, dass ein ganzer Garten nötig wäre, sie zu ernähren. Eine regelrechte Produktion von Blumen und Gemüse zum Weiterverkauf kennt ein Kapuzinerkloster nicht. Mittlerweile ist es eher so, dass wir die Nutzbeete noch mehr verkleinern müssen. In den Gärten unserer Nachbarn wächst alles so üppig, dass sie uns gern davon abgeben. «Das ist doch natürlich», begründen sie ihre Gabe. Und sie ergänzen: «Wer hat, der hat es, um anderen davon zu geben.»
    Ganz schön selten geworden, diese Haltung. Meistens heißt es doch eher: Wer hat, der sorge dafür, dass er bald noch mehr habe. Jeder sei sich selbst der Nächste. Die Begründung dafür: Das sei natürlich. Schon die

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