Das Leben Findet Heute Statt
alles finden lässt, was wir zum Leben brauchen. «Vater, in deine Hände lege ich mein Leben!», betet der sterbende Jesus (Lk 23,46). Er sagt nicht: «Und tschüs. Bis gleich!» Bis dorthin, wo alles besser wird. Wir Kapuziner schauen auf das Kreuz und lernen mit Franziskus, unserem Ordensgründer, in den Widrigkeiten des Heute nicht das Morgen herbeizuzwingen. Wir halten es für natürlich, dass alles seine Grenzen hat. Wir können das, weil wir glauben, dass Gott uns in den Grenzen unseres Lebens heute von seiner Fülle etwas mitteilt.
Im Garten hier komme ich nicht umhin, auf die Lust hinzuweisen,die wir haben, dem Schöpfer zu zeigen, was wir aus seiner Schöpfung machen können. Natürlich ist ein Klostergarten eine Oase. Wenigstens hier gibt es Zeit und Muße, zu betrachten, was uns ohne unser Zutun einfach aus der Erde entgegenwächst. Sie könnten auch in Ihrem Alltag damit beginnen, dem mit Respekt zu begegnen, was Ihnen zum Leben zur Verfügung gestellt wird. Die Blumen in Ihrer Wohnung blühen nur für Sie. Dann sollten Sie ihnen auch Pflege zukommen lassen. Das Gemüse auf dem Markt lädt Sie ein, davon Speisen zu bereiten, die Ihnen die Kraft aus der Erde und die Energie der Sonne schenken. Selbst die Luft, die Sie atmen, können Sie aufnehmen als ein Geschenk, das Sie mit so viel Sauerstoff versorgt, wie Sie jetzt gerade brauchen. Ob Wissenschaft oder Alltagsgeschäft – es kommt darauf an, sich mit Lust von der Ordnung anleiten zu lassen, die in den Dingen ist.
Wer wie Eva ständig denkt, es wäre doch so schön, wenn man auch das noch könnte, was man nun eben nicht kann, vertreibt sich selbst aus dem Paradies eines zufriedenen Lebens. Wer in der Ordnung der Schöpfung lebt, ist offen für die Überraschungen, die das Leben zu bieten hat. Und mit dem wir heute schon anfangen können.
12. Die Waschküche
«Was soll ich nur anziehen?» Oder: Freiheit und Persönlichkeit sind nicht käuflich
Ein Kapuziner fällt schon durch sein Ordenskleid auf. Wir nennen es Habit. Das Wort leitet sich vom lateinischen «habitare» ab, zu Deutsch: wohnen. Wer das Leben in unserem Orden beginnt, wird damit eingekleidet. Die Form des Habits: ein Kreuz. Das lange Gewand, dann die Arme daran und noch die spitze Kapuze. Diese Grundform hat Franziskus von Assisi entworfen. Als Sohn eines Tuchhändlers hatte er vor seiner Bekehrung die Welt der Stoffe und den Wunsch der Menschen nach der neuesten Mode kennengelernt. Sein neues Leben sollte davon frei sein. Er wollte wörtlich eine Botschaft Jesu leben, die ihn am 24. Februar 1206 erreichte – und auch mit Kleidung zu tun hatte.
Nach einer langen Zeit innerer Unruhe war er an diesem Tag eher zufällig in eine kleine Kirche am Fuß der Stadt Assisi geraten. Dort las ein Priester in jenem Moment aus dem Evangelium vor, was Jesus seinen Jüngern riet, als er sie aussandte, das Reich Gottes zu verkünden: «Nehmt keine Vorratstasche mit auf den Weg, kein zweites Hemd, keine Schuhe, keinen Wanderstab; denn wer arbeitet, hat ein Recht auf seinen Unterhalt» . (Mt 10,10). Bei Franziskus schlug dieses Wort wie ein Blitz ein. Ihm war, als habe er genau darauf gewartet. Er warf seine eigenen edlen Kleidungsstücke weg. Dafür schneiderte er sich nach dem Vorbild der Alltagskleidung der einfachen Leute seiner Zeitein schlichtes Gewand, wie es im Mittelalter für Männer üblich war. Er nahm bewusst einen sehr groben Stoff. Nichts sollte ihn dazu verführen, sich darin allzu wohl zu fühlen. Mit seiner grauen Kutte stellte er sich freiwillig auf eine Stufe mit den Tagelöhnern. Er wollte sich nicht mehr leisten können, als der Tag hergab. Damit landete er am untersten Rand der damaligen Gesellschaft. Das war weniger ein geplantes Ziel als eher die Folge einer klaren religiösen Einsicht: Gott schämt sich nicht, ganz unten zu sein. Er will bei denen gesucht und gefunden werden, die gern von der Gesellschaft übersehen werden. Damit wendet Gott für alle, die ihn gern oben im Himmel suchen, die Blickrichtung. In dem einfachen Kleid, das von einem groben Strick zusammengehalten wurde, wollte Franziskus der Nähe Gottes zu den Armen selbst möglichst nahekommen. Und damit auch den Armen selbst.
Schon für die ersten Ordensbrüder war ein solch einfaches Gewand charakteristisch. Mit der Zeit ist daraus ein relativ schönes Kleidungsstück geworden. Aber nicht alle Brüder tragen es noch regelmäßig. Es ist nicht Pflicht. Praktisch ist es allemal: Die Frage, was ich anziehen
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