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Das Leben Findet Heute Statt

Das Leben Findet Heute Statt

Titel: Das Leben Findet Heute Statt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruder Paulus Terwitte
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soll, entfällt.
    Ich kenne den Stress nicht, den das Anziehen manchen Leuten macht. Sie wollen ja mit der Mode gehen, und die hat ja bekanntlich ihren Preis. Nur weiß keiner so recht, wer den bestimmt. In der Qualität der Stoffe gibt es sicher Unterschiede, aber darauf kommt es oft gar nicht an. Wichtiger ist, sich mit Namen zu bekleiden, die etwas bedeuten. Was genau, ist egal. Wichtiger ist, wem die etwas bedeuten. Man fühlt sich eben ganz anders, wenn man etwas von X oder von Y trägt. Man nimmt teil an einer Marken-Community, die religionsähnliche Strukturen hat. Mit Werbung in Zeitschriften, Internetauftritt und Special Events wird eine eigene Markenpersönlichkeitgeschaffen, die sich die Kunden kaufen sollen. Man winkt ihnen mit Stichwörtern wie Individualität oder Unabhängigkeit. Auch hier gilt: Wovon viel gesprochen wird, ist am wenigsten vorhanden. Kein Wunder, denn die Bekleidungsindustrie produziert ein Drittel zu viel für den Markt. In solchem Überangebot muss man seine Kunden schon mit anderen Sachen locken als mit dem, wozu Kleidung eigentlich dient: dem Menschen etwas zum Anziehen, zum Schutz vor den Wettereinflüssen zu geben.
    Das darf auch schön sein. Seitdem auch wir Kapuziner nicht mehr nur den Habit anziehen, entwickelt sich da auch unter uns so manche Diskussion. Wie viel muss man sich leisten? Wie viel darf man sich leisten? Dem einen ist es wichtig, dass alles zusammenpasst. Der bekommt dann schon mal den Vorwurf zu hören, er putze sich zu fein heraus. Dem anderen ist es ziemlich gleichgültig – mit recht unansehnlichem Ergebnis. Ich halte es lieber mit denen, die keine große Wahl haben. Einfach und zweckmäßig muss es sein. Mir gefällt auch der Gedanke, über das gewohnte Gewand hinaus Kleidung mit einem Signet des Ordens zu gestalten. Denn eins ist klar: Was ich anziehe, sendet ein Signal aus. Auch mir ist das Signal wichtig: Ich gehöre zu einer Gemeinschaft. Ich habe etwas mit Gott zu tun. Manche belächeln mich oder machen Witze. Für andere ist es ein guter Einstieg in ein Gespräch, wenn sie mich damit auf der Straße antreffen oder in der Bahn.
    Das Gewand, das alle tragen, lässt sofort an Gleichschaltung denken. Meistens drehen sich die ersten Fragen auch um das Leben im Kloster und wie man es schafft, sich dort in allen Forderungen der Gemeinschaft zu unterwerfen. Und genau das tun wir eben nicht. Wer im Orden lebt, hat für sich eine Entdeckung gemacht: Jeder ist eine Person mit vielfältigen Neigungenund Fähigkeiten. Der Mitmensch ist es also ebenso. Damit wir für diese innere Farben- und Formenfülle frei werden, ziehen wir gern das Ordenskleid an. Die Brüder im Kloster tragen es in der Liturgie ebenso wie beim Essen. Es macht uns bewusst, dass keiner besser ist als der andere. Wir sind alle gleich vor Gott. Wir hüten sorgfältig, was er uns gegeben hat. Dieses ist im Innern eines jeden und muss nicht durch individuelle Kleidung zum Ausdruck gebracht werden. Darin steckt für mich auch der Grund, warum ich nicht immer das Ordensgewand anziehe, wenn ich unterwegs bin: Dann würde ich mich ja ständig von anderen abheben. Aber genau das brauche ich nicht. Ich muss mich nicht besonders anziehen, um zu spüren, dass ich jemand Besonderes bin. Kleider machen keine Leute. Ich kann sein, was ich bin, weil Gott ein Auge auf mich geworfen hat. Das macht mich stark im Augenblick. «Der Herr lass sein Angesicht über dich leuchten und sei dir gnädig!» . (Num 6,25), heißt es in der Bibel.
    Das sind mehr als nur fromme Worte. Sie geben eine menschliche Grunderfahrung wieder. Wenn Eltern sich den Kindern zuneigen, zeigen sie ihnen ihr Angesicht. Im liebevollen Leuchten der Augen von Mutter und Vater kann das Kind Grundvertrauen entwickeln. Je beständiger diese Zuneigung ist, desto fester wird das Grundgerüst, auf dem sich dann ein Individuum so oder so entfalten kann. Die persönliche Fürsorge der Eltern um ihre Kinder lässt sich nicht delegieren. Kinder wollen wissen: Bin ich wichtig für Mama? Für Papa? Oder bin ich es nicht? Die Antwort darauf geben nicht ein aufwendig dekoriertes Kinderzimmer, Designerschühchen oder -pullöverchen . Die Antwort auf die Frage, ob die Sorge der Eltern sie einhüllt wie in einen Mantel, entnehmen die Kinder der Zeit und der Konzentration, mit denen Papa und Mama da sind. Inwiefernsie sich ihre Zeit bestimmen lassen vom Vermögen der Kleinen – in der wahrsten Bedeutung des Worts. Denn heute sind Kinder so, und morgen sind sie

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