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Das Leben Findet Heute Statt

Das Leben Findet Heute Statt

Titel: Das Leben Findet Heute Statt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruder Paulus Terwitte
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leisten konnte und warum trotz voller Ähren auf dem Feld dennoch Hunger ins Land einziehen konnte. Statt eines dümmlichen Theaters von Kampfspielern in Ritterrüstung, die in der Pause durch den Schlitz des Helms gelangweilt ihre Zigarette rauchen, könnten intelligentere Spiele dargeboten werden. Das Geflecht von Besitzstreben, Neid, Eifersucht und Geltungsgier ist in Stücken der Literatur tausendfach aufgegriffen worden und erfreut Zuschauer, wie es sie gleichermaßen darüber aufklärt, welche Wege es geben kann, aus dem ebenso sinnlosen wie Geld verzehrenden bluternsten Kriegsspiel auszusteigen.
    Sei es im kreativen Spiel, im Vortrag oder in einer Ausstellung: Solche Events könnten gescheit machen für heute, stattalle dumm zu halten mit dem Vorgaukeln einer früheren Welt, die es so doch gar nicht gab. Sie könnten darüber aufklären, dass damals Heilige existierten und Sünder, Gescheite und Narren, Irrtum und Wahrheit – und dass Geschichte nur einen Sinn hat: dass wir daraus für heute lernen. Was man von einem Bad im Zuber oder einem Spanferkel am Ritterspieß nun ganz und gar nicht behaupten kann.
    Unsere Kirche, dieses Kloster und seine Klostermauern haben auch ihre individuelle Geschichte. Was wir heute damit noch anfangen können, werden Sie im Lauf der Führung näher kennenlernen – oder vielleicht auch durch ein persönliches Erlebnis wie dieses: Ich erinnere mich, wie unsere Familie einmal einen Ausflug zur Benediktinerabtei Gerleve im westfälischen Münsterland machte. Die mächtigen Klostermauern beeindruckten mich sehr. Mit Herzklopfen lief ich als Zwölfjähriger an der Mauer entlang. Ein Tor stand offen. Es zu durchschreiten, das lockte mich. Gleichzeitig schreckte ich davor zurück. Mehr als zehn Schritte habe ich mich nicht hineingewagt. Aber immerhin – so viele waren es. Ich fühlte mich beobachtet. Obwohl niemand zu sehen war, erschien mir das ganze Gelände voller Augen, die mich bei dieser Grenzüberschreitung verfolgten. Nach dem zehnten Schritt flüchtete ich zurück zur Familie, die schon nach mir Ausschau hielt. Ich war froh, dass mich keiner genauer fragte, wo ich denn gewesen sei.
    Ich spürte, dass ich den abgeschlossenen Bezirk betreten hatte, der in der lateinischen Sprache Claustrum heißt. Daher hat das Kloster seinen Namen. In diesem umfriedeten Bereich sollte sich ein eigener Lebensraum entfalten und erhalten. Seit dem 5. nachchristlichen Jahrhundert haben sich Männer einerseits und Frauen andererseits zusammengetan, um abgeschieden vom Alltag einem neuen Gesetz zu folgen. Sie wollten wenigstensin einem kleinen Ausschnitt dieser Welt verwirklichen, was sie dem Evangelium Jesu entnahmen. Deshalb war es ihnen auch wichtig, einen geschützten Innenraum zu haben. Die Gemeinschaft baut nach außen, was auch für das Innen gilt: Denn jeder Mensch braucht zum Leben einen umfriedeten Bereich. Dort ist er mit sich allein. Dort ist er vor Angriffen geschützt. Niemand kann da hineinsehen. Dort kann er Frieden finden und mit sich ins Reine kommen. Da kann er aber auch von ständiger Unruhe erfüllt sein, weil er zu viel hereingelassen hat und nun kaum allein damit fertig wird. Für diesen Sektor gibt es viele Namen: Herzenskammer, Gewissen, aber auch der Leib, der ja mehr ist als der Körper. Das Ich. Das Selbst. Das Ich-Selbst.
    Gerade der klösterliche Innenbereich hatte mich in meiner kindlichen Neugier interessiert. Diese Entdeckerlust gehört zum Erwachsenwerden. Ein Kind kann noch nicht den eigenen Innenraum und den Innenraum anderer Menschen schützen. Es ist noch ganz vom Äußeren eingenommen. Es untersucht arglos die Welt, wie sie ist. Ihm ist eine Respektlosigkeit eigen, die man ihm gern verzeiht. Es überschreitet Grenzen, weil es nur die Sache sieht. Es sieht noch nicht dahinter. Es kann in aller Unschuld plötzlich intime Sachen fragen, die uns Erwachsene in peinliche Situationen bringen. Langsam erst lernt es, dass es eine Verbindung zwischen dem Äußeren und dem Inneren gibt. Für mich als Kind war das Kloster ein Tor und ein Gelände dahinter. Für die Mönche ist es die Pforte zu einem Garten, der ihnen etwas von Gott erschließt. Ein Kind darf da hineingehen. Ein Kind darf alles untersuchen. Ein Kind darf mit seinem Entdeckerdrang in jeden Winkel hineinschauen. Einem Erwachsenen verzeihe ich das nicht.
    Das Kloster erinnert mit seinem Claustrum daran, dass es Bereiche im menschlichen Leben gibt, die wir nicht betretendürfen. Und ich habe den Eindruck, dass

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