Das Leben Findet Heute Statt
Menschen ja eher von sich selbst aus. Wir überlegen, was wir von Gott und von unseren Mitmenschen bekommen könnten. Franziskus hat mit seiner Lebensentscheidung die Blickrichtung herumgedreht: Nicht zuerst meine Person. Nein, der größte Reichtum ist Gott, und der steht an erster Stelle. Franziskus schreibt in einem Gebet: «Du bist all unser Reichtum zur Genüge!» Auch nicht zuerst die eigene Wohnung, ein eigenes Haus: Nein, die Schöpfung Gottes ist der Wohnortaller Geschöpfe. Jeder hat darin seinen Platz. Auch gilt: nicht zuerst mein Profit. Nein, zuerst kommt das Auskommen für alle. Darin werde dann auch ich meinen Anteil finden.
Radikal setzt er ein Wort Jesu um: «Niemand kann zwei Herren dienen; er wird entweder den einen hassen und den andern lieben, oder er wird zu dem einen halten und den andern verachten. Ihr könnt nicht beiden dienen, Gott und dem Mammon. Deswegen sage ich euch: Sorgt euch nicht um euer Leben und darum, dass ihr etwas zu essen habt, noch um euren Leib und darum, dass ihr etwas anzuziehen habt. Ist nicht das Leben wichtiger als die Nahrung und der Leib wichtiger als die Kleidung?» . (Mt 6,24 f.)
«Kann sein», antworten wir Superrealisten darauf, «aber was machen wir ohne Nahrung und ohne Kleidung?» Und es beginnt die Jagd auf Kleidung und Nahrung ohne Rücksicht auf Verluste. Ich wundere mich immer wieder, was Menschen so alles einkaufen. Vor Feiertagen tun viele so, als würde eine Hungerkatastrophe ausbrechen. Ansonsten wird der monatliche Einkaufstag zum Schicksalstag, der über die Mahlzeiten der nächsten vier Wochen entscheidet. An diesem Tag muss alles gerafft werden. Die Einkaufswagen in den Supermärkten, sowieso schon zu groß gebaut, quellen über. Manche haben ihre liebe Not damit, alles ins Auto zu bekommen. Daheim fehlt dann der Platz, die Dinge sorgsam und entsprechend ihrem Wert unterzubringen. Und nach drei Wochen hat man auch noch vergessen, wohin man alles gepackt hat. Wir bedienen uns nur noch aus den Vorräten, die wir angelegt haben. Es bleibt kein Platz für Spontaneität. Es muss uns schmecken, was uns am monatlichen Einkaufstag in die Hände fiel. Kühlschrank, Gefriertruhe, Vorratsregal und Keller sind für morgen gerüstet. Nur das, was uns heute mundet und was wir jetzt gerade brauchen, genau das finden wir da nicht.
In den Kleiderschränken sieht es nicht anders aus. Wir werden von Mode zu Mode gehetzt und wissen gar nicht mehr, wo wir die Sachen vom Vorjahr lassen sollen. Schon zwei Jahre vor der Saison werden die Modefarben festgelegt, nach denen alle Hersteller zu schneidern haben. Eine ganze Industrie hält sich weltweit an diese Vorgaben, die darauf abzielen, dass der Konsum nicht nachlässt. Wir kaufen nicht, was wir jetzt brauchen: Wir kaufen für später, für den Moment, in dem wir dann vielleicht unseren großen Auftritt haben werden. Doch dann ist es möglicherweise zu spät für das Outfit. Denn es kommt alles ganz anders, als wir es uns vorgestellt haben. So wartet manches T-Shirt heute noch darauf, ausgepackt zu werden. Fast jede Woche bieten uns Leute an der Pforte Kleidung für Bedürftige an, die quasi neu ist.
Weiter geht es mit dem Einkauf von Büchern. In unrealistischen Träumen von den schönen Stunden des Lebens, die bald kommen werden, wandert so manches Buch aus der Buchhandlung nach Hause in den Bücherschrank. Die Onlineversender verdienen sich eine goldene Nase mit dieser Hoffnung auf Muße. Es ist so verführerisch schön, sich vorzustellen, wie es wäre, wenn man dieses Buch auch noch hätte und die Zeit, sich damit auseinanderzusetzen. Selbst wenn wir wissen, dass wir es vielleicht nie werden lesen können: Wir trösten uns mit dem Gedanken, dass sich bestimmt noch zeigen wird, zu welchem Zweck wir es gekauft haben. Und so nutzen wir fröhlich die erste Möglichkeit, es sofort zu bestellen. Man weiß ja nie. Wir geraten in die Falle, die uns durch das verführerische Angebot der Sofortbestellung gemacht wird: Die Maus frisst unsere Bedenken. Klick. Und schon ist die Falle zugeschnappt.
Dadurch werden zwar unsere Regale voller, aber Bildung erlangen wir so noch lange nicht. Und wir werden auch nichtschlauer, wenn wir noch mehr von etwas bestellen. So seltsam es sich anhören mag: Am meisten hat der vom Leben, der sich genauso viel leistet, wie er sich heute leisten kann. «Selig die arm sind vor Gott!» . (Mt 5,3). Damit meint Jesus in seiner Bergpredigt alle, die nicht auf den großen Reichtum schielen, mit dem
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