Das Leben Findet Heute Statt
ohne die es nicht existieren könnte. Sein Weitblick betrachtet die Mitarbeiter und die Marktmöglichkeiten schon allein deswegen, weil er mit ihnen alt werden will. Wer aber durch andere nur reich werden will, sieht nicht weit. Meistens nur bis zu seiner Gehaltsabrechnung.
Die kirchliche Soziallehre spricht seit 150 Jahren vom Arbeitereigentum. Das ist eine Idee aus dem Urchristentum: Zu dieser Zeit besaß man alles gemeinsam. Niemand nannte etwas sein Eigen. Solche Lebensformen brauchen natürlich die gemeinsame Übereinkunft, dass wirklich niemand für sich daraus Kapital schlagen will. Wenigstens in den Orden hat sich diese Idee erhalten. Der vielgescholtene Reichtum der Klöster hat neben historischen Gründen heute seine Grundlage darin, dass alle gemeinsam an der einen Sache arbeiten, die allen gehört.
Die Ökonomie der Gesellschaft braucht mehr verantwortliche Unternehmer, die hier und jetzt zupacken und nicht auf ein Leben warten, das anfängt, wenn das Unternehmen genugabgeworfen hat. Wir brauchen in großen Unternehmen das Instrument der Anteile: Die Arbeiter profitieren direkt vom Gewinn, da sie Anteile ihrer Firma besitzen. Sie erwirtschaften den Mehrwert und sollen auch direkt daran beteiligt werden. Franziskanisch gesprochen: Die ganz unten sind, bilden das Fundament, auf dem eine Firma ruht. Die Manager gehören zu den wenigen, die auf dieser Basis etwas aufbauen und nur für diese Basis bauen sollten. Hier fängt die Unternehmerethik an. Man wird von selbst verantwortungsvoll, wenn man den Erträgen dienen will, die von allen erwirtschaftet wurden.
Der Kontakt zur Basis ist das A und O einer Ökonomie, die sich von der Wirklichkeit leiten lässt und nicht von Traumblasen. In managergeführten Unternehmen gibt es oft keine Verantwortlichen mehr, die mit Mitarbeitern oder mit Kunden in engem Kontakt stehen. Dort landet man in Callcentern, in denen die geschulte Freundlichkeit und Geduld einen schalen Geschmack hinterlassen. Was nützt einem das netteste Gespräch, wenn man letztlich doch nur abgewiesen wird? Irgendwo wird aus irgendeinem Grund irgendetwas von irgendjemandem entschieden. Am Ende zählen nur das System und dessen Ziele. Nur nicht mehr der Mensch, der jetzt Geltung beansprucht. Den hält eine Computerstimme in der Warteschleife fest, damit er nicht stört.
Wir brauchen wieder eine Ökonomie, in der noch gespürt wird, dass jeder von jedem abhängt und sich niemand erlauben darf, auf Kosten des anderen nur in die eigene Tasche zu wirtschaften. Wir brauchen einen Aufstand gegen den Glauben, dass nur die großen und übergroßen Systeme effizient sind. In Wahrheit holen sich die anonymen, riesigen Einheiten Läuse in den Pelz und Maden in den Speck, die es am Ende zu Fall bringen werden.
Der Glaube, große Systeme ließen sich am effizientesten zu den Zielen führen, die man sich am besten noch selbst ausgedacht hat, ist so irrational, dass selbst ich als Theologe darüber staunen muss. Das entbehrt jeder wissenschaftlichen Grundlage und gehört doch zu den bedeutendsten Annahmen der Gegenwart. Reinhard Selten, der als erster Deutscher 1994 den Nobelpreis für Ökonomie erhielt, wies nach, dass sich eine Wirtschaft, die sich nur mit dem Preis-Leistungs-Denken im Marktgeschehen befasst, auf keine Basis stützt. Der von der klassischen Ökonomie erfundene Homo oeconomicus, der vollständig bewusste, informierte und allzeit vernünftige Konsument, der einem individuellen System persönlicher Bevorzugungen folgt, ist die tragende Säule dieses Theoriegebäudes. Aber er ist ein pures Hirngespinst. Kritische Ökonomen wie Bernd Senf thematisieren im Gefolge von Reinhard Selten insbesondere die «emotionale Blindheit», die aus einem reinen Glauben an Zahlen erwächst, und halten das gesamte Gebäude der rein mathematischen Ökonomie für einen einzigen, großen blinden Fleck, das von den neuen Erkenntnissen folgerichtig zum Einsturz gebracht wurde. Markt ist eben viel mehr als das, was dabei herauskommt. Ökonomie geschieht unter Menschen, die sich wahrnehmen und die miteinander handeln wollen. Ökonomie ist nicht die Lehre von der Gestaltung des Menschen nach Zahlengesetzen, sondern die Lehre von Zahlengesetzen und all den anderen Lebenswirklichkeiten des Menschen, die ihn in Handelsbeziehungen treten lassen.
Dem brüderlichen Ideal im franziskanischen Orden ist jede Form der Gestaltung von Beziehungen durch Geld zuwider. Wir leisten uns, finanziell gesehen, unvernünftige Sachen. Wir
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