Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Leben Findet Heute Statt

Das Leben Findet Heute Statt

Titel: Das Leben Findet Heute Statt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruder Paulus Terwitte
Vom Netzwerk:
Möglichkeiten erkennen und sie im Blick auf seine Nächsten und auf Gott einsetzen. Die realistische Einschätzung der eigenen Situation ist die Voraussetzung, Schuld akzeptieren zu können. Es ist ein völliger Blödsinn zu sagen: Ich muss mich entscheiden, was ich sein will. Ich muss mich nicht entscheiden, sondern ich muss anerkennen, was ich schon längst bin: «Ich bin ja dein Knecht, der Sohn deiner Magd, ein schwacher Mensch, dessen Leben nur kurz ist, und gering ist meine Einsicht in Recht und Gesetz.» . (Weish 9,5)
    Solche Worte aus der Bibel hören sich für den Außenstehenden deprimierend an. Sie sind aber voller Lebensenergie: Wenn man begreift, dass man ein begrenztes Geschöpf ist, dann rechnet man mit Fehlern. Dann wird man lernfähig. Dann muss man sich nicht stolz gegen alle Kritik abschotten. Man wird fähig für die Moral. Diese philosophische Lehre von Gut und Böse wird häufig herbeizitiert. Nur wird dabei oft übersehen, dass sie eine Voraussetzung hat: Wer ethisch entscheiden will, muss demütig sein. Er muss sein Knie vor den Werten beugen, die ihm vorgegeben sind.
    Das fällt uns schwer. Wir lassen uns nicht gern etwas vorsetzen. Damit wir aber entscheiden können, was wir wählen wollen und was nicht, brauchen wir Kriterien, die ohne unser Zutun für unsere Entscheidungen tauglich sind. Wir müssen ja nichts. Der Mensch ist nicht kontingent. Der Mensch ist nicht die notwendige Folge von irgendetwas. Sie müssen nicht einen, der Ihnen auf die eine Wange schlägt, auf die andere zurückhauen. Das müssen Sie wirklich nicht. Sie können ihm auch die andere hinhalten. Der Mensch hat die Freiheit. Bei ihm folgt nicht automatisch das eine aus dem anderen. Da er nicht instinktgebunden ist, braucht der Mensch Orientierungspunkte für sein Handeln. Das sind die Werte, die es ihm ermöglichen, seine Freiheit zu entfalten – im Dürfen, im Entdecken des Gesollten, im Entdecken dessen, was sich ihm im Gewissen erschließt. Darin ist er wirklich frei. Aber nur dann, wenn er das Gewissen wirklich geschult hat in dem, was gut und richtig ist. Der falsche Gewissensspruch ist nicht Verwirklichung der Freiheit, sondern der Anfang der Hölle.
    Der moralische Mensch unterwirft sich dem Guten, richtet sich danach aus und nimmt auch den persönlichen Nachteil in Kauf, der damit einhergehen kann. Er hat ein Selbstvertrauen, das letztlich Gottesvertrauen ist. Es manifestiert sich in einem fast grenzenlosen Vertrauen zu seinen Nächsten in der Gegenwart. Er lässt sich in Frage stellen und sucht in Verbundenheit mit den anderen, was heute in Respekt vor den Werten zu tun ist.

17.   Die Gästezimmer
    «Ich hab genug mit mir selbst zu tun.» Oder: Raus aus dem Hamsterrad
    Wer uns besucht, erhält ein Gästezimmer. Wie Sie hier sehen, gibt es darin ein Waschbecken, ein Bett, einen Schrank und einen kleinen Schreibtisch. Die einfache Einrichtung dient dazu, unseren Gästen die Konzentration auf das Wesentliche zu ermöglichen. Es steht dort kein Telefon. Wer zu uns kommt, will ja ungestört sein. Manchmal müssen wir den Besucher fast noch ermahnen, doch bitte das Handy nicht zu benutzen. Oder den Laptop. Oder den MP 3-Player . Oder das Handy.
    Die Taschen sind voll davon. Bei der Sicherheitskontrolle am Flughafen immer dieselbe Bewegung: Hemdtasche, Hosentasche, Gesäßtasche – was da noch alles zum Vorschein kommt an technischen Kleinigkeiten! Mit ihnen seien wir untereinander vernetzt, heißt es. In Wirklichkeit verlieren wir den Überblick darüber, und oft ist trotzdem kein Anschluss mehr frei für einen Mitmenschen, der sich wirklich mit uns verbinden will.
    Die kleinen Dinger sind wie Dämonen, die uns ins Ohr flüstern: Nimm noch. Hol noch mehr. Du kannst noch viel bekommen. Verpass nur nichts. Sie sorgen dafür, dass wir ständig mit etwas anderem beschäftigt sind als mit dem, was wir gerade tun. Von überall her erreicht uns ein An-Ruf, ein An-Spruch. Statt im Hier und Heute zu leben, reißen uns all die unterschiedlichen Forderungen ständig fort in ein Morgen oder ein Anderswo. Trotzdem haben wir den Eindruck, wir stünden im Mittelpunktder Welt. Wir erzählen stolz, wie viele E-Mails wir erhalten: Manche lassen sich sogar von Freunden während eines Meetings anrufen, damit die anderen sehen, wie beschäftigt sie sind. Der Terminkalender kann nicht voll genug werden. Die neueste Musik vom Player ertönt dazu.
    Unsere Gäste staunen schon nach wenigen Stunden, wie anders es ist, in der Geborgenheit

Weitere Kostenlose Bücher