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Das Leben Findet Heute Statt

Das Leben Findet Heute Statt

Titel: Das Leben Findet Heute Statt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruder Paulus Terwitte
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des Klosters zu leben. Sie kommen aus einer Welt, in der jeder vor allem mit sich selbst beschäftigt ist. Jeder muss sich in allem auskennen. Zu allem etwas zu sagen haben. Jeder sorgt sich darum, ja nicht aufzufallen. Das Motto: Wenn jeder an sich selbst denkt, ist auch an jeden gedacht.
    Da ist die Atmosphäre in einer Gemeinschaft von Männern, die aus der Gegenwart der Fülle lebt und nicht nach einer solchen Art von Erfüllung jagt, ganz anders. Sie weckt schon nach einigen Stunden in unseren Gästen die Erinnerung an das eigene Vermögen im Sinn von: Das vermag ich doch auch! Aber es ist dann gar nicht so einfach, die eigene Fiebrigkeit in der Hetze der Zeit abzukühlen. Auch wenn jeder sich noch sehr um sich selbst dreht: Wenn alle das tun, kann der Einzelne nicht so einfach aufhören. Wenn sich alle an den Klimawandel Richtung Ego gewöhnt haben, ist der Ausstieg aus der Energie der Selbstsucht gar nicht so leicht.
    Jahrelang wurde auf allen Kanälen die Egoleier gedreht, gerade in den Betroffenheitstalkshows. So wurde die Blickverengung auf das Persönliche gesellschaftsfähig. Sie lässt nur noch gelten, was das Ich fühlt, sieht oder wünscht. Klar, dass dabei auch Gott unter die Räder kam. Er könnte ja anderes von mir wünschen oder mir eine andere Sichtweise der Dinge ermöglichen. So wird Gott eine Nebenrolle zugewiesen. Er hat so lange im Hintergrund zu bleiben, bis das Ich ihn aufruft. Weich und wohlig hater dann zu tun, was dem Ich dient. Sprachlos blieb ich an einem Abend, an dem ich im Gespräch mit einigen jungen Männern der Finanzszene in Frankfurt am Main hörte: «Sie glauben an Gott, Bruder Paulus? Bitte schön. Wenn es Ihnen guttut.»
    Damit war das Gespräch zu Ende. Wenn Gott auf die Ebene der subjektiven Befindlichkeit geholt wird, ist auch noch das letzte Tabu gebrochen. Dann ist Gott wirklich tot. Aber auch die Kommunikation der Menschen untereinander. Es gibt nichts mehr, worüber man streiten könnte, wenn man nicht einmal mehr über die Existenz Gottes diskutiert. Es gibt auch keine Werte mehr: Wenn es mir guttut, bin ich gerecht. Wenn es mir nicht guttut, dann bin ich es eben nicht. Oder: Wenn es mir guttut, dann bin ich treu. Wenn es mir nicht mehr guttut, dann suche ich mir was Neues.
    In einer Welt, in der jeder persönliche Standpunkt zum absoluten Standpunkt wird, kann man seines eigenen Lebens nicht mehr sicher sein. Falls es passt, wird auf einen anderen eingeschlagen. Oder man wird ihm zum Selbstmord verhelfen, weil einem das Mittragen von Leid nicht mehr guttut. Wir fragen nicht mehr: Wie ist das Wetter? Sondern: Wie ist das Wetter für dich? Es entsteht keine Diskussion mehr darüber, ob die Oper gut war, sondern nur noch darüber, wie sie für mich, für dich, für uns oder für den Kritiker war. Alle Kriterien des Lebens verschwinden hinter dem Totschlagargument: Für mich ist das aber nicht so. Basta.
    Die Aggression, die dahintersteckt, ist unüberhörbar. Rühr mich nicht an. Lass mich in Ruhe. Die Motivation ist auch klar: Ich bin gerade dabei, meine Welt aufzubauen und es mir für morgen so richtig schön einzurichten, wie es mir gefällt. Wie es mir guttut. Störe meine Kreise bitte nicht.
    Wer so redet, ist für die Gesellschaft tot. Er ist auch selbstschon tot, weil er nichts und niemanden an sich heranlässt. Im Namen dessen, was für ihn positiv ist, tut er sich Böses an. Im Namen der Freiheit beraubt er sich des schönsten Geschenks der Freiheit an uns Menschen: dass wir umdenken können. Dass wir es anders machen können. Dass wir Fehler wiedergutmachen können. Dass wir Ideen aufgreifen können. Dass wir heute mit dem Leben anfangen können, von dem wir gestern noch keine Ahnung hatten. Wer sagt, er tue nur, was ihm guttut, muss sich fragen lassen, woher er die Kriterien nimmt, die ihn sicher sein lassen, dass es ihm wirklich guttut. Gefühl? Geld? Bequemlichkeit?
    Statt zu fragen: Wie ist das wirklich?, heißt die Frage: Wie ist das für dich? Solange man in der Suchbewegung ist, mag das noch angehen. Wir Menschen können ja ganz aufgeregt werden, wenn es darum geht, einer Fragestellung alle Antwortmöglichkeiten abzuringen. Da braucht es einen intensiven Austausch, der jedem die Möglichkeit gibt, alles zu sagen, was er aus seiner Perspektive sieht. Der amerikanische Psychologe Carl R.   Rogers hat das Eingehen auf diese persönliche Sichtweise zu einem therapeutischen Weg ausgebaut. Ab 1942 arbeitete er «klientenzentriert». Die Gründe, warum er

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