Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Leben in 38 Tagen

Das Leben in 38 Tagen

Titel: Das Leben in 38 Tagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornelia Scheidecker
Vom Netzwerk:
äußern.
„Aber ich habe ja auch Zeit!“
    Ich
hatte den Verdacht, dass er Angst hatte, anzukommen, aber das sagte ich
natürlich nicht. Es war seine Sache und wir waren uns nicht so nahe, um über
unser Seelenleben zu sprechen. Ich vermutete, dass er etwas gegen ehemalige
DDR-Bürger hatte, obwohl er sich das nicht anmerken lassen wollte. Es schien
mir immer, als ob irgendetwas zwischen uns stand. Aber vielleicht bildete ich
mir das auch nur ein.

22.
Die Bischofsstadt Astorga und einige ungewöhnliche Bekanntschaften
     
    Auf
jeden Fall brachte mich Achim anschließend bis zur Herberge, die in einer
winzigen Seitengasse gegenüber der Kathedrale lag. Das 300 Jahre alte
Privathaus, das mehr als hundert Pilgern Platz bot, ist für Kritiker der
Kommerzialisierung des Jakobsweges ein Dorn im Auge, weil der Besitzer zur
bekannten Gaudídynastie gehört. Antonio Gaudí war ein
berühmter Architekt und hatte in den Anfangsjahren des zwanzigsten Jahrhunderts
den Bischofspalast bauen lassen, welcher für mich aussah wie ein weißes Schloss
aus Disneyland. Bischofspalast, Kathedrale und Stadtmauer bildeten aber damit
hier in unmittelbarer Nachbarschaft ein außergewöhnliches, sehenswertes
Ensemble aus Neuzeit, Mittelalter und Antike. Den Nachkommen von Antonio Gaudi
gehörte neben der Pilgerherberge auch das gleichnamige luxuriöse Hotel, in dem
es abends das Pilgermenü geben sollte. Darauf freute ich mich schon, aber es
sollte anders kommen.
    Die
Unterkunft, von der die Kritiker behauptet hatten, dass nun „Pilgerhotels“
statt Pilgerherbergen gebaut werden würden, empfand ich als völlig normal. Die
Zimmer waren dunkel und sehr eng. Man fand kaum Platz, seinen Rucksack
abzustellen, und alle Betten waren schon belegt, davon fast alle mit Männern.
Ich erkannte die zwei Italiener, von denen ich wusste, dass sie furchtbare
Schnarcher waren. „The Italian snorrers “,
wie Carol immer sagte. Ich grüßte freundlich und dachte mir meinen Teil. Das
konnte ja heiter werden!
    Ein
Österreicher verwickelte mich gleich in ein Gespräch und ein Deutscher stellte
sich als Wolfgang vor. Ich ging erst einmal duschen und Wäsche waschen. Dabei
traf ich zu meiner großen Freude Elke, die pensionierte Lehrerin aus Hamburg,
die mir so imponierte. Von ihr erfuhr ich, dass sie schon im Krankenzimmer ein
Bett belegt hatte, weil es ihr in den Räumen zu eng war. Da aber heute immer
mehr und mehr Pilger ankamen, wurde gerade die oberste Etage geöffnet; ein
großer offener Raum mit vielen Betten, aber auch einigen Fenstern. „Komm, sieh
es dir an, ich ziehe auch nach oben!“, sagte Elke, „da ist noch genug Platz!“
Sofort packte ich meine Sachen und suchte mir oben unter dem Holzdach eines von
vielen freien Betten aus. Herrlich! Viel Luft und viel Platz! Wolfgang, mein
neuer Bekannter, war mir gleich gefolgt und strahlte nun ebenfalls.
    Ich
beschloss, die Zeit bis zum Pilgermenü zu nutzen und mir einmal die Kathedrale
von innen anzusehen, und wen traf ich dort? Aghi ! Die
interessante Multinationale! Und gleich hatte ich eine gute Führerin. Sie
erklärte mir sämtliche Figuren und Bilder und wusste fast zu allen
Darstellungen eine Geschichte zu erzählen. Viele handelten von Erlebnissen und
Wundern auf dem Jakobsweg oder vom Leben der Heiligen. Ich war erstaunt, was Aghi alles wusste. „Vieles hat mir mein Mann erzählt!“,
sagte sie und das erstaunte mich noch mehr. „Mein Mann gibt Religionsunterricht
und wir haben viele Bücher zu Hause. Außerdem bin ich den Weg ja auch schon
zweimal gelaufen!“ Es war wunderschön, mit Aghi diese
Kirche und das angrenzende Museum zu erleben, allein hätte ich wohl kaum etwas
verstanden. Um 18.00 Uhr wurde leider geschlossen und wir beide waren die
Letzten, die man höflich, aber bestimmt hinaus bat.
    Aghi sprühte wieder vor
Unternehmungslust. „Hast du schon die Schokolade von Astorga gekostet? Sie ist
berühmt für ihren Geschmack, die musst du unbedingt probieren!“ Sie zog mich in
ein Schokoladengeschäft und kaufte gleich einige Leckereien, die ich nun der
Reihe nach testen durfte.
    Anschließend
zeigte sie mir voller Begeisterung die wichtigsten Plätze der Stadt mit ihren
Gebäuden sowie die Gemeindeherberge, in der sie ihr Bett belegt hatte.
Schließlich beschlossen wir, zusammen essen zu gehen. Leider hatte Aghi nicht vor, das Gaudíhotel zum obligatorischen Pilgermenü zu besuchen, sondern sie wollte mich mit einem
typischen Gericht aus dieser Gegend überraschen. Da ich Aghi

Weitere Kostenlose Bücher