Das Leben in 38 Tagen
mich eben wieder zurückfahren, damit ich von
hier aus weiterlaufen kann!“
Ich
musste mir das Lachen verbeißen bei so viel Einfachheit. „Wissen Sie, unser
Pfarrer hat mich auf diesen Weg geschickt!“, erzählte er dann. „Ich soll den
Weg erkunden und herausfinden, ob wir später mal mit den Jugendlichen hier
entlang laufen können.“ „Aha, na, das ist ja eine wichtige Aufgabe“, sagte ich
und fragte mich dabei, ob ihn nicht einfach mal jemand für eine gewisse Zeit
loswerden wollte.
Alfred,
wie unser neuer Bekannter hieß, war froh und dankbar, dass wir uns um ihn
kümmerten. Nun aber hatte er plötzlich Angst bekommen, allein in der Herberge
auf das Taxi zu warten, doch nach einigem guten Zureden konnten wir endlich
aufbrechen. Wir versprachen ihm, uns in der deutschen Herberge in Pamplona zu
treffen, die Martin dem Taxifahrer am Telefon angegeben hatte. Wenn wir dort
noch ein Bett erhalten wollten, mussten wir wirklich sofort los, denn es war
mittlerweile zehn Uhr geworden und es lagen circa 22 Kilometer vor uns!
Ich
wollte unbedingt in dieser Herberge übernachten, weil sie vom Freundeskreis der
Jakobspilger Paderborn geführt wurde und ich meinen Pilgerausweis und wertvolle
Informationen aus Paderborn erhalten hatte. Sie war noch nicht lange eröffnet
und hatte es sich zum Ziel gesetzt, vor allem den Pilgern zu helfen, die das
erste Mal den Weg gingen und kein Spanisch konnten. Ich dachte mir, dass Alfred
dort bestimmt an der richtigen Stelle sein würde.
Gestern
waren wir circa sieben Stunden unterwegs gewesen und hatten dabei etwa 23 Kilometer
zurückgelegt, eine tolle Leistung bei den schlechten Bodenverhältnissen, wie
ich fand. Heute regnete es wenigstens nicht und unser Weg führte zunächst an
einer alten Magnesitfabrik vorbei, die die ganze
Natur in eine Mondlandschaft verwandelt hatte, aber später wurden wir
entschädigt. Unser Pfad schlängelte sich kilometerlang am Ufer des munteren
Flüsschens Arga entlang, dessen Wasser von einer
solch schönen blaugrünen Färbung war, wie ich es nie zuvor gesehen hatte.
Abseits der Landstraße und umgeben von grünenden Büschen und Bäumen machte mir
das Laufen richtig Spaß. Es erinnerte mich an zu Hause, wo ich auch direkt an
einem kleinen Flüsschen wohne. Die ständige Bewegung des Wassers hat etwas
Faszinierendes; es fließt immer weiter, unbeirrbar, so wie das Leben...
Aber
so schön die Wege bei trockenem Wetter auch sein mochten, heute waren sie
teilweise noch schlammiger als gestern. An einer Stelle kletterten wir mit den
schweren Rucksäcken auf eine Mauer und balancierten oben entlang, um nicht im
Schlamm zu versinken. Genau an dieser Stelle kam uns ein alter Bauer in
Gummistiefeln entgegen. Er lachte und meinte, dass es besser wäre, im Schlamm
zu laufen, als im Sommer bei der großen Hitze. Außerdem seien jetzt nicht so
viele Pilger unterwegs. Da hatte er sicher Recht. Alle Spanier waren immer hoch
erfreut, wenn jemand die spanische Sprache verstand. Sie grüßten stets
freundlich und knüpften meist noch einen Satz daran, um einige Worte zu
wechseln. Man hatte immer den Eindruck, als Pilger nach Santiago geachtet und
willkommen zu sein. Am liebsten hätte uns der alte Landmann gleich den ganzen
Weg erklärt, aber wir mussten ja weiter; unser Bett reservieren.
Wir
kamen durch kleine Dörfer und überquerten mehrmals unser Flüsschen und jedes
Mal saßen auf der Brückenmauer schon die Autofranzosen und schnappten uns damit
die schönsten Rastplätze weg. Kilometerlang zog sich dann der Weg auf der
Landstraße entlang, um ab und zu wieder auf rutschigen Pfaden bis hinauf zum
Waldrand zu führen, von wo wir endlich die Häuser einer größeren Stadt in
einiger Entfernung sahen. Das musste Pamplona sein, unser heutiges Etappenziel,
oder zumindest eine der Vorstädte Villava oder Burlada .
Mir
schien es heute, als ob ich schon 20 Kilometer gelaufen wäre; ich fühlte mich
schlapp, die Beine und die Schultern schmerzten. Martin ging es besser,
wahrscheinlich weil er wusste, dass dies sein letzter Pilgertag sein würde, und
ich nahm mir vor, mich morgen etwas zu schonen.
Wir
liefen noch etwa eine Stunde, teilweise neben einer Schnellstraße, bis wir
endlich die ersten Häuser erreichten, die wir schon so lange gesehen hatten.
Wir überquerten als Erstes wieder eine schöne mittelalterliche Brücke, unter
der der Fluss Ulzama in beeindruckender Weise gestaut
wurde. Gleich daneben, passend zur Brücke, lud ein altes Kloster in
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