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Das Leben in 38 Tagen

Das Leben in 38 Tagen

Titel: Das Leben in 38 Tagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornelia Scheidecker
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entgegengebracht
wurde, und über die Selbstverständlichkeit, mit der die drei deutschen
Angestellten für ein Vierteljahr unentgeltlich und engagiert für die Pilger
tätig waren.
    Jeder
konnte seine Fragen loswerden, auch unser alter Bekannter Alfred. Er schien
aber offensichtlich nicht so zufrieden zu sein, denn auch in Pamplona war am
Wochenende leider keine Fußpflege möglich. Das hätten schon die Hospitaleros selbst
machen müssen, aber dafür waren sie zum Leidwesen von Alfred nicht
qualifiziert. So wurden ihm nur die nötigen Utensilien besorgt, während ihm
nichts anderes übrig blieb, als selbst Hand an sich zu legen. Das machte er
allerdings so gründlich, dass ihm die Füße bluteten! Mit bitterernstem Gesicht
klagte er uns wieder sein Leid. Ach, Alfred, wie willst du es nur bis Santiago
schaffen!
    Simone,
die wir auch schon aus Zubiri kannten, ein freundliches, kräftiges Mädchen in
Martins Alter, hatte ein Problem mit ihrem fünfzehn Kilo schweren Rucksack. Sie
war bei einem Abstieg voll in den Schlamm gestürzt und musste nun alle Sachen
waschen und unbedingt versuchen, das Gewicht ihres Rucksacks zu reduzieren. In
meinem Reiseberater hatte ich gelesen, dass das Gewicht des Rucksacks möglichst
nicht mehr als zehn Prozent des Körpergewichts ausmachen sollte. Höchstens zwei
bis drei Kilo mehr. Demnach hätte Susanne mindestens 120 Kilo wiegen müssen, in
Wirklichkeit wog sie schätzungsweise 45 Kilo weniger. Auf meiner Reise traf ich
immer wieder Pilger, die einen Teil ihres Gepäcks wieder nach Hause schicken
mussten, weil es zu schwer war, genau wie Simone. Sie hatte von vielen ihrer
Freunde Glücksbringer bekommen, von denen sie sich nicht trennen wollte, unter
anderen von ihrer Schwester ein großes Tagebuch mit Ledereinband, das allein
schon fast ein Pfund wog!
    Als
ich dann mit Martin in die Stadt ging, unterhielten wir uns über die Probleme
der Pilger auf dem Camino. „Mutti, du hast dich am besten von allen
vorbereitet, die ich gesehen habe“, lobte mich mein Sohn. Ich freute mich
natürlich über das Kompliment, aber ich wusste auch, dass noch 700 Kilometer
vor mir lagen und sich erst am Ende herausstellen würde, ob ich mich wirklich
optimal vorbereitet hatte. Auf jeden Fall hatte ich mir sehr viel Rat von
anderen Pilgern im Internet geholt und meinen kleinen Reiseführer genau
beachtet. So hatte ich zum Beispiel alles, was im Rucksack war, mit der
Küchenwaage abgewogen, Handy und Fotoapparat sowie jegliche Kosmetik zu Hause gelassen.
Mein Rucksack wog nicht mehr als sechs Kilo ohne Wasser und Nahrung und war
trotzdem schwer genug. Der wichtigste Tipp aber war für mich persönlich, die
Füße jeden Morgen mit einer elastischen Klebebinde zu umwickeln. Dadurch soll
die Reibung zwischen Haut und Strümpfen und somit Blasen verhindert werden. Die
meisten Pilger, die es nicht bis zum Ende schaffen, haben zu schweres Gepäck
oder zu große Blasen an den Füßen, sagte mein Reiseführer, und das wollte ich
auf jeden Fall vermeiden. In Pamplona nach kaum einem Zehntel der Strecke
trafen wir schon einige Pilger mit Problemen; so hatten zum Beispiel die beiden
Amerikanerinnen von Zubiri ihr Gepäck transportieren lassen und auch Mary aus
San Francisco wollte zunächst einmal hier ihre Füße auskurieren.
    Diese
drei habe ich später nicht wieder getroffen und auch den alten Belgier habe ich
leider in Pamplona das letzte Mal gesehen.
    In
solche Gespräche versunken liefen Martin und ich an der großen Stierkampfarena
vorbei, die von außen wie ein Fußballstadion mit einem halbrunden Dach anmutet
und mitten in der Stadt liegt. Wir sahen uns die engen mittelalterlichen
Straßen an, die teilweise sogar noch aus der Römerzeit stammen, und versuchten
uns vorzustellen, wie die Stiere hier langgetrieben werden, um dann in der
Arena zu sterben. Auf diese Tierquälerei konnte ich gern verzichten, aber
interessant war es halt trotzdem!
    Da
es Samstagabend war, herrschte Trubel und Gedränge in den Straßen, Geschäften
und Restaurants. Die Kaufhäuser, wo wir uns für den Sonntag noch mit
Lebensmitteln eindecken und etwas umsehen wollten, weckten in mir auf einmal
nur einen Wunsch: Nichts wie raus hier!
    Nach
dem einsamen, ruhigen Laufen der letzten vier Tage erschien mir das Geschrei
der Kinder, das Hasten der vielen Menschen, der Lärm und die Musik viel lauter
und störender, als ich es je vorher erlebt hatte.
    Endlich
ergatterten wir einen freien Tisch in einer kleinen Bar, wo Martin sich

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