Das Leben in 38 Tagen
beigebracht hatte. Der Juhu-Ruf stammt von Jusuke ,
Martins japanischem Freund in Madrid. Dieser ist den ganzen Camino in 29 Tagen
ohne große Vorbereitung gegangen! Alle Achtung! Martin ist mit ihm in halb
Spanien umhergefahren, aber das hätte ich dem Lebemann nicht zugetraut!
Zubiri
ist Baskisch und bedeutet „Ort an der Brücke“. Der Legende nach mussten früher
tollwütige Tiere dreimal unter der Brücke hindurchgeführt werden, um sie von
der Tollwut zu heilen. Deshalb trägt die Brücke den Beinamen „Tollwutbrücke“ —
Puente de la Rabia.
Diese
mittelalterliche, gotische Brücke spannt sich in einem Bogen über den kleinen
Fluss Arga und ist das Erste und scheinbar auch das
Schönste, was man von dem Dorf sieht. Gleich hinter der Brücke stand eine
junge, hübsche Frau mit langen schwarzen Haaren und dunklen Augen in Jeans und
modischem T-Shirt und rauchte eine Zigarette. Sie bemerkte unseren suchenden
Blick und führte uns in die kleine Herberge, die sich am Beginn der Häuserzeile
befand. Hier machte das Dorf fast einen städtischen Eindruck. Zu beiden Seiten
der Straße standen Häuserzeilen, die aussahen, als luden sie zum Bummeln ein.
Die
Herberge hieß „ Zaldiko “ und gehörte der jungen Frau,
die ihr auch ihren Namen gegeben hatte. Diese war laut unserem Pilgerführer,
meinem Taschenbuch, empfehlenswerter als die Gemeindeherberge, und das bekamen
wir von den anderen Pilgern später auch bestätigt.
Mit
unserer nassen, schlammbespritzten Kleidung und den superschmutzigen Schuhen,
an denen man wirklich keine Farbe mehr erkennen konnte, trauten wir uns kaum in
diese kleinen sauberen Räumlichkeiten. Aber Zaldiko wollte uns erst alles zeigen und so sahen wir winzige Zimmer mit jeweils vier
Doppelstockbetten, zwischen denen gerade ein Mensch hindurchpasste, aber was
machte das schon? Drei Amerikanerinnen, darunter Mary aus San Francisco, die
uns freudestrahlend begrüßte, sowie Simone, eine 28-jährige Deutsche, hatten
sich schon eingerichtet und wir waren froh, hier noch ein Bett zu finden.
Wie
sich herausstellte, war es fast eine Luxusherberge, denn es gab Waschmaschine,
Trockner und Internet, saubere Duschen und Toiletten sowie zwei kleine
Aufenthaltsräume. Was hatten wir wieder für ein Glück, gerade an diesem
Regentag auf eine solche Herberge zu treffen! War das schon wieder ein kleines
Wunder oder nur Zufall?
Wir
packten unsere schmutzigen Sachen vor die Waschmaschine, wo sie nacheinander
von Zaldiko gewaschen wurden, mit Vorwäsche im
Handwaschbecken. So viel Fürsorge war uns fast peinlich, aber Zaldiko bestand darauf, es für die vier Euro, die wir ihr
gern gaben, selbst zu tun. Da es keine Möglichkeit gab, unsere Schuhe irgendwo abzuwaschen,
wurden sie einfach so schmutzig, wie sie waren, in langen Reihen um die Heizung
gelagert, und man höre und staune: Die meisten der teuren wasserfesten
Wanderschuhe hatten den heutigen Härtetest gut bestanden.
Nach
dem Duschen und Umziehen fühlten wir uns wie neugeboren, müde und glücklich.
Wir setzten uns zu Zaldiko in den Aufenthaltsraum,
tranken Kaffee aus dem Automaten und unterhielten uns in Englisch und Spanisch.
Zu
unserem Erstaunen war sie schon vierzig Jahre alt (wir hatten sie auf dreißig
Jahre geschätzt) und hatte zwei Kinder im Alter von neun und vier Jahren. Die
Herberge betrieb sie ganz allein und hatte sich damit einen Traum erfüllt. Mit
ihrer liebenswerten Art gab sie allen Pilgern das Gefühl, willkommen zu sein.
Gerade
kam der alte Belgier mit seinem großen Rucksack durch die Tür. Mit ungewöhnlich
ernster Miene fragte er vorsichtig nach einem freien Bett, denn in der
Gemeindeherberge, wo er gerade herkam, wollte er nicht bleiben. Der alte Mann,
der bestimmt nicht sehr anspruchsvoll war, erzählte, dass es dort weder warmes
Wasser noch Trockenmöglichkeiten gab. Heizgeräte standen wohl im Schlafraum, an
denen man sich fast verbrannte, und es war schmutzig und unwirtlich. Hier bei Zaldiko fing auch das alte Faltengesicht des kleinen Belgiers
wieder an, zu strahlen.
Nachdem
wir in einem kleinen Laden unsere Vorräte aufgefüllt und kurze Mails verschickt
hatten, gab uns Zaldiko einen Tipp, wo wir Abendbrot
essen konnten.
Martin
und ich gingen nun in ein ziemlich großes Restaurant, wo mir gleich der Schmutz
um die Theke unangenehm auffiel. In Spanien wirft man einfach den Abfall auf
die Erde, es gibt in den Gaststätten weder Papierkörbe noch Aschenbecher.
Zigarettenschachteln, Papier und Kippen landen auf
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