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Das Leben in 38 Tagen

Das Leben in 38 Tagen

Titel: Das Leben in 38 Tagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornelia Scheidecker
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abgelegene urtümliche Herberge gesucht.
    Nicht
nur in diesem Haus, auch in dem ganzen Dorf schien die Zeit stehen geblieben zu
sein. Die Menschen hier lebten wirklich noch von dem, was sie sich selbst
erarbeiteten, und fuhren nur selten in die Stadt, um einzukaufen. Dafür hatten
sie gar keine Zeit. In Ermangelung von Geld mussten sie ohne große Technik sehr
viel Handarbeit verrichten. Selbst die Ochsen wurden oft noch mit dem Joch über
die Felder getrieben. Das Vieh musste versorgt, die Felder und Wiesen
bearbeitet, das Obst und Gemüse geerntet und verarbeitet werden, eben genauso,
wie es über viele Jahrhunderte gemacht worden war. So freuten sich die Menschen
über jede zusätzliche Einkommensquelle, wie die Pilger, die eher zufällig hier
vorbeikamen, denn eine offizielle Herberge war das hier nicht. Deshalb war ich
nun doch froh, hier eingekehrt zu sein und die Gastfreundschaft der
offensichtlich armen Bauern zu genießen.
    Im
Laufe des Abends versuchte ich mit Heinz, dem älteren, hageren Düsseldorfer,
einem scheinbaren Einzelgänger, ins Gespräch zu kommen und hörte Erstaunliches.
Nach seinen Erzählungen musste er Millionär sein, denn er nannte als seine
Arbeit das Verwalten und Anlegen seines eigenen Geldes, wozu er eigens zwei
Angestellte hatte. Außerdem besaß er ein Grundstück mit 10.000 Hektar Land, das
bestellt werden wollte. Da konnte seine Frau natürlich nicht mehr arbeiten,
denn obwohl sie Ärztin war, hatte sie diesen Beruf ganz aufgegeben, um für ihre
fünfzehnjährige Tochter genügend Zeit zu haben. Mich interessierte dabei
besonders, ob man denn als Hausfrau genau so viel Anerkennung bekam wie
beispielsweise durch die Arbeit als Ärztin.
    Ich
hatte mich während meiner nun schon mehrmaligen Arbeitslosigkeit öfter gefragt,
ob sich der Wert eines Menschen nur durch seine Arbeit definiert. Manchmal hat
man schon den Eindruck in dieser Gesellschaft und ich glaube, es braucht
manchmal mehr Selbstbewusstsein, um zu seiner freiwilligen oder unfreiwilligen
Arbeitslosigkeit zu stehen, als wenn man von seiner Arbeit erzählen kann. Man
braucht oft viel Mut und auch Vertrauen, um sich immer wieder trotz
Enttäuschungen eine neue Aufgabe zu suchen, sich nicht einzuschließen, sich nicht
aufzugeben, ja ich glaube, es braucht sogar Mut, einfach mit seinem Leben
zufrieden zu sein...
    Diese
Geschichte bildete wieder einmal den krassen Gegensatz zu dem harten Leben der
Bauern hier und ich fragte mich, warum dieser reiche Mann diesen Weg mit Entbehrungen
auf sich genommen hatte. Und warum war Laura Bush diesen Weg gelaufen?
Wahrscheinlich ist es immer gerade der Reiz des Gegensätzlichen, der die
Menschen lockt. Es würde jedenfalls meine Vermutung bestätigen, dass Geld
allein nicht glücklich macht, und Arbeit allein eben auch nicht...
    In
dieser Nacht konnte ich nur schlecht schlafen, weil ich einfach nicht warm
wurde. Der Raum mitsamt dem großen alten Bett und den dicken Federdecken schien
die feuchte Kälte eines ganzen Winters gespeichert zu haben und sie nun
auszuatmen. Heidemarie deckte mich mit allen verfügbaren Decken zu. Sie war
wirklich ständig wie eine Mutter um mich besorgt, aber ich wollte nun mal nicht
mehr aufstehen und mir Strümpfe und Kleidung anziehen. Ich dachte daran, dass
ich nur noch 150 Kilometer bis Santiago laufen musste, und ich wusste, dass ich
es körperlich schaffen würde. Aber würde die Ankunft in Santiago auch
gleichbedeutend mit dem Erreichen meines inneren Zieles sein? So angenehm es
auch war, mit der intelligenten und redegewandten Heidemarie zusammen zu sein;
wenn ich auf meine innere Eingebung hören wollte, musste ich einfach wieder
allein laufen, um mir darüber klar zu werden. Ohne sie zu verletzen, musste ich
ihr das am nächsten Tag sagen und ich grübelte, wie ich das am besten anstellen
sollte Nachdem wir etwas länger geschlafen hatten, weil es erst gegen Morgen in
den Betten warm geworden war, fanden wir im Frühstücksraum einen liebevoll
gedeckten Tisch und ein paar Zeilen von Millionär Heinz vor, der sich für den
netten Abend bei uns bedankte! Na, das war doch ein freundlicher Morgen! Und
weil die Wirtin bereits mit Füttern und Versorgen der Tiere im Stall genug zu
tun hatte, übernahm Jean, der Franzose, nun unsere Betreuung. In seiner
überschwänglichen, fröhlichen Art gab er uns Tipps für den weiteren Weg mit
seinen Alternativen und Heidemarie ließ sich alles genau beschreiben. Es wurde
wieder ein herzlicher

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