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Das Leben in 38 Tagen

Das Leben in 38 Tagen

Titel: Das Leben in 38 Tagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornelia Scheidecker
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nicht
automatisch glücklich machen. Der Dalai Lama sagt, dass es die einzige
Lebensaufgabe des Menschen ist, glücklich zu sein. Aber kann man denn ohne
Liebe glücklich sein? Wenn man diese Mönche beobachtet, möchte man es fast
glauben. Und die Antwort des Dalai Lama drängte sich mir fast auf: „Liebe ist
das, was jeder Mensch von seiner Mutter mitbekommt.“
    Ist
das wirklich so einfach?
    Ich
glaube, es ist völlig egal, welcher Religion man angehört und ob man ein
buddhistischer oder christlicher Mensch ist. Wichtig ist wohl allein, sein
inneres Glück zu finden und es nicht in Äußerlichkeiten zu suchen. Nur dann ist
man auch in der Lage, auf andere Menschen positiv auszustrahlen. Vielleicht ist
wirklich nur das unsere Lebensaufgabe, und dass dies nicht so einfach ist,
sieht man an den meisten Menschen und vor allem an sich selbst. Ich nahm mir
vor, weiter an mir zu arbeiten, und als wir schließlich im Kirchenraum
angelangt waren, versuchte ich wieder einmal, möglichst viel von diesem inneren
Frieden in mich aufzunehmen und festzuhalten.
    Nach
dem interessanten Rundgang verabschiedeten wir uns von dem freundlichen Pater
und hofften, uns um 19.00 Uhr zur Messe wiederzusehen. Ich freute mich schon
darauf, weil dann alle Mönche versammelt sein und Choräle singen würden. Aber
aus unerfindlichen Gründen wurde leider nichts daraus. Wir fanden den Eingang
nicht! Unvorstellbar, aber es war so. Zweimal liefen wir kurz vor 19.00 Uhr um
den gesamten Klosterkomplex herum, aber die Türen, die wir fanden, einschließlich
der von heute Nachmittag, blieben alle verschlossen.
    Der
Tankstellenbesitzer von nebenan zeigte immer um die Ecke, aber wir fanden
nichts. Schade, aber das kann einem passieren, wenn man nicht Spanisch sprechen
kann!
    Also
machten wir das Beste daraus und gingen in der Bar gegenüber Abendbrot essen.
Es wurde ein lustiger Abend unter Deutschen und wir genossen das dreigängige
Pilgermenü und den dazu gehörigen Rotwein. Ob wir schon langsam danach süchtig
wurden?
    Die
Gespräche drehten sich vor allem um den restlichen Weg. Morgen würden wir Sarrià erreichen und von dort waren es noch genau hundert
Kilometer. Diese letzten hundert Kilometer brauchte man nur zu laufen, um in
Santiago die Pilgerurkunde zu bekommen. Ich hatte noch eine Woche Zeit für die
Strecke und fühlte mich unheimlich glücklich und stolz, weil ich nun sicher
war, dass ich es schaffen würde. Was sollte mir noch passieren?
    Elisabeth
und Maria aus der Nähe von Ingolstadt waren erst seit León unterwegs. Sie
kannten sich seit der Schulzeit und liefen den Weg in Etappen. Bis León waren
die beiden bereits in den vergangenen Jahren gepilgert. Sie waren etwas jünger
als ich und sahen mit ihren blonden Locken und der gleichen schlanken Figur wie
Geschwister aus. Zudem trugen sie meistens die gleiche Kleidung. Elisabeth
hatte eine Brille, war aber etwas hübscher und aufgeschlossener als Maria. Ich
mochte die beiden mit ihrem bayrischen Dialekt und der geradlinigen,
freundlichen Art. Gerold war Anfang sechzig, sah aber noch ziemlich gut und
sportlich aus. Er war früher Offizier gewesen, was seine stets akkurate
Kleidung und Haltung zu erklären schien. Irgendwie hatte er an den beiden
Frauen einen Narren gefressen oder er wollte abends nicht allein sein, denn
seitdem Wolfgang schon vorausgefahren war, verabredeten sich die drei immer in
den Herbergen.
    Wir
vier beschlossen nun, uns am nächsten Abend etwa zwanzig Kilometer weiter in
einer von meinem Pilgerführer empfohlenen Privatherberge zu treffen. Annemarie,
die mit einem anderen deutschen Ehepaar unsere heutige Runde komplettiert
hatte, hielt sich auffallend zurück. Ich hatte sie schon öfter getroffen, aber
fast immer allein. Sie war auch erst in Astorga gestartet und wollte
anscheinend genau wie ich versuchen, auf dem Weg Probleme zu lösen. Irgendwie
fühlte ich mich mit ihr verbunden. Ich fragte sie nach Chris, aber auch sie
hatte den charmanten graubärtigen Mann mit dem Cowboyhut seit dem Bergdorf
Riego de Ambrós nicht mehr gesehen. Allerdings wusste sie, dass er sich dort
wieder mit Helen, seiner dänischen Freundin, getroffen hatte. Na, das war ja
interessant!
    Für
heute hatten wir genug erzählt und erfahren. Wir gingen in unseren großen
Schlafsaal, der zum Glück nur halb belegt war, und ließen uns in unsere Träume
fallen. Ich träumte vom traurigen Abschied von einem schönen graubärtigen Mann
mit blauen Meeraugen...
    Der
nächste Morgen begann mit

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