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Das Leben in 38 Tagen

Das Leben in 38 Tagen

Titel: Das Leben in 38 Tagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornelia Scheidecker
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Abschied.
    Unterwegs
erzählte ich Heidemarie vorsichtig von meinen nächtlichen Gedanken und sie
wurde erst einmal ganz still.
    „Ich
dachte, dass wir zusammen in Santiago ankommen!“, sagte sie dann und ich
bemerkte ihren etwas enttäuschten, aber gleichzeitig entschlossenen
Gesichtsausdruck. „Aber es ist kein Problem für mich, ich kann auch allein
weiter laufen, nun haben wir ja den schwierigsten Teil hinter uns und mir geht
es gut!“
    Heidemarie
machte es mir leicht und mir fiel ein Stein vom Herzen. Sie war ja auch eine
starke und verständnisvolle Frau und ich war wirklich froh, sie kennen gelernt
zu haben. „Es war eine schöne Zeit mit dir“, sagte ich, „vielleicht treffen wir
uns ja noch einmal wieder!“, und ich hatte ein gutes Gefühl dabei. Gemeinsam
beschlossen wir dann, uns nach dem Abstieg in Triacastela zu trennen.
    Heute
war es etwas kälter als in den vergangenen Tagen, auch der Himmel zeigte sich
grau und mit Wolken verhangen. Natürlich, in Galicien sollte es oft regnen,
aber zunächst blieben die Wolken noch am Himmel, so dass wir eine gute Sicht
auf die grünen Täler und winzigen Dörfer unter uns hatten. Wir stiegen jetzt
auf schmalen Bergpfaden von etwa 1000 Metern Höhe, wo Biduedo gelegen hatte, bis auf 600 Meter hinab. Hier lag das kleine Städtchen
Triacastela, das, wie der Name schon sagt, früher einmal aus drei Kirchen,
Klöstern oder Burgen bestanden haben musste. Heute hat der Ort nur noch tausend
Einwohner und eine Kirche, dafür aber drei Herbergen und mehrere kleine Cafés.
In einem davon nahmen Heidemarie und ich Abschied. Schnell und ohne viele Worte
tauschten wir unsere Adressen aus und trennten uns. Irgendwie hatten wir beide
das Gefühl, dass es kein endgültiger Abschied sein würde.
    Von
Triacastela aus gab es zwei Wegalternativen und so kam es, dass wir nun beide
auf unterschiedlichen Wegen in Richtung Santiago weiterliefen. Da mir die neun
mit dem Auto gefahrenen Kilometer fehlten, hatte ich den längeren Weg über
Samos gewählt, wo es ein berühmtes Kloster mit Herberge geben sollte. Ich hatte
doch tatsächlich mal wieder Lust, in einer großen Herberge zu übernachten, um
die besondere Atmosphäre zu erleben. Das war schon erstaunlich. Ich fühlte mich
frei und war froh, es wieder einmal geschafft zu haben, loszulassen, meinen
eigenen Weg zu gehen. Nun war ich doppelt gespannt, wohin, oder besser gesagt,
wie er mich führen würde.
    Zunächst
ging es an der Landstraße neben einem Fluss entlang, dessen Rand von steilen
Felsen und hohen Bäumen begrenzt wurde. Später führten mich die
Muschelwegweiser und die gelben Pfeile größtenteils auf Feldwegen durch grüne
Wiesen und Wälder mit vereinzelten grauen Gehöften. Es war ein angenehmes Laufen,
in dessen Verlauf ich mehrmals Rast am Wegrand machen und die herrliche Ruhe
genießen konnte. Nur ab und zu trat ich einen Pilger oder einen Bauern auf dem
Feld.
    Obwohl
das Land hier sehr fruchtbar schien, soll die Provinz Lugo, durch die ich jetzt
ging, eines der ärmsten Gebiete in ganz Europa sein. So hatte mich mein
Eindruck von der Armut der Bauern in Biduedo nicht
getäuscht. Die Landwirtschaft brachte nicht genug Geld, um sich Maschinen
leisten zu können, sondern reichte gerade zum Überleben. Eine Alternative wären
vielleicht Zusammenschlüsse der Bauern gewesen, aber durch die bergige
Landschaft waren die Flächen anscheinend zu klein und, wie ich gelesen hatte,
durch sehr traditionelle Erbteilung gespalten. Seit O Cebreiro war der
Pilgerweg auch nicht mehr mit der alten Römerstraße identisch, denn diese
führte von dort direkt nach Lugo, welches eine historische Römerstadt sein
sollte, und nicht nach Santiago.
    Am
Nachmittag sehnte ich mich danach, endlich anzukommen, und als ich dann auf
einer kleinen Anhöhe stand, sah ich durch die hohen Bäume einen riesigen
Klosterkomplex schimmern. Das Kloster von Samos! Allein für diesen Anblick
hatte es sich gelohnt, diesen Umweg zu gehen! Mitten in einem grünen Tal, das
ein kleiner Fluss durchzog, und umgeben von einem riesigen Garten prangte das
imposante Bauwerk aus grauem Naturstein mit seinen langen, mehrstöckigen,
quadratisch angeordneten Wohn- und Nebengebäuden und der Renaissancekirche. Die
kleinen Häuser des Ortes schienen nur schlichtes Beiwerk zu sein.
    Als
ich näher kam, erkannte ich in dem Klostergarten mehrere Männer in blauen
Arbeitsanzügen, die Gartenarbeit verrichteten . Daneben
standen zwei Mönche in braunen Kutten, die anscheinend

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