Das Leben in 38 Tagen
waren von einem solch intensiven Grün umrahmt, dass es gegen
das vorsichtige Grün auf der anderen Seite wirkte wie ein anderes Land.
Mir
schien, als hätte ich noch nie etwas so Schönes und Atemberaubendes gesehen,
obwohl ich schon in vielen Ländern gewesen bin. Aber vielleicht empfand ich es
auch nur so, weil ich es mit einer für mich ungeheuren Anstrengung erreicht
hatte. Hier oben treffen laut Legende der Weg der Sterne und der Weg der Winde
zusammen und ich konnte auf einmal mit meinem ganzen Körper spüren, dass das
stimmte. Zwischen ihnen, dem blauen Himmel und mir befand sich auf einmal ein
riesiges Metalldenkmal, welches ich sehr treffend fand. Es zeigte die einzelnen
Pilger der verschiedenen Jahrhunderte in ihrer entsprechenden Kleidung
hintereinander laufend und darüber die Milchstraße mit vielen Sternen. Man
sagt, dass der Jakobsweg bestimmten Himmelslinien folgt, den so genannten
Ley-Linien, und dass von ihnen in Verbindung mit den magnetischen Erdlinien
positive Energie ausgestrahlt wird. Diese soll den Jakobspilgern Kraft geben
für ihren langen und beschwerlichen Weg und ich wollte das gerne glauben.
An
diesem herrlichen Sonntag, dem ersten Sonnentag auf meiner Wanderung, ging ich
auch das erste Mal allein und ich hatte so einen Ausblick von hier oben, dass
ich mir mein Tagesziel unter den vielen kleinen Dörfchen mit bloßen Augen
aussuchen konnte.
Dabei
fühlte ich mich plötzlich so winzig wie ein Sandkorn im Universum, aber es
machte mir keine Angst, sondern ließ mich unendliche Freiheit spüren. Ich hätte
mich wohl nicht gewundert, wenn der starke Wind mich auf einmal erfasst und
über diese herrliche Landschaft getragen hätte...
Nun
kamen auch einige Radfahrer und andere Pilger keuchend die Landstraße herauf
und ich fühlte mich froh und stolz, den schwierigen anderen Weg gegangen zu
sein. Der Camino hatte sich bis hierher auf jeden Fall schon gelohnt und wer
weiß, was es noch alles zu sehen und zu erleben gab. Was hatte ich doch für ein
Glück, das genießen zu können!
Getragen
von diesem Glücksgefühl wagte ich mich an den steilen Abstieg, der nicht nur
wegen seiner vielen Steine für Radfahrer gesperrt war. Mir machte es Spaß, über
die Steine zu springen, soweit das mit dem schweren Rucksack möglich war. Die
Vegetation war hier tatsächlich schon weiter als auf der anderen Seite des
Berges. Es gab Gänseblümchenwiesen, die ersten blühenden Büsche und grünen
Bäume. Unterhalb des Berges begannen Felder, wo das Grün des Getreides das
Braun der Erde bereits überdeckt hatte.
Die
Vögel zwitscherten und ich konnte nicht widerstehen: Ich breitete meinen
Müllsack am Wegrand aus und setzte mich in das feuchtfrische Gras. Wie schön
würde es erst sein, wenn die Erde getrocknet war und man sich auf einer
blühenden Bergwiese ausstrecken konnte?
Nach
weiteren zwei Stunden Laufens, in denen es bis auf 400 Meter weiter abwärts
ging, setzte ich mich in dem kleinen Dörfchen Muruzabal ,
das genauso alt erschien wie seine mittelalterliche Kirche, auf eine Bank und
überlegte mir, wie weit ich noch laufen wollte.
Mein
Reiseführer riet mir, hier einen lohnenswerten Umweg von drei Kilometern in das
geheimnisvolle Eunate zu machen, aber meine Füße und
meine Schultern wollten lieber in dem Dorf bleiben, wo es eine kleine Herberge
gab.
In
diesem Moment setzte sich ein anderer Pilger neben mir auf eine Bank und wir
kamen ins Gespräch. „It’s time to finish for today“, sagte ich und er fragte : „Oh yes, where are you from?” „ I’m from Germany!” Da lachte er und sagte: „Warum reden wir
nicht Deutsch? Ich bin aus Wien und heiße Werner, und wie heißt du?“
Es
war immer wieder lustig, zu erleben, wenn man sein gebrochenes Englisch nicht
brauchte und sich die vermeintlichen „Ausländer“ als deutschsprachig outeten.
Werner
war von der Idee, einen Umweg über Eunate zu machen,
begeistert. Vielleicht suchte er auch nur eine Begleitung, denn er hatte mich
schon mehrmals gesehen, wie er sagte, während ich ihn kaum wahrgenommen hatte.
Egal, mir war die Begleitung recht, zumal in den Reiseführern widersprüchliche
Aussagen zu Übernachtungsmöglichkeiten dort gemacht wurden und wir eventuell
noch weiter laufen mussten.
Mittlerweile
war es 16.00 Uhr geworden, die Sonne brannte und der Weg nach Eunate erwies sich als schattenloser Plattenweg mitten
durch die braunen, frisch gepflügten Felder. Es schien alles neu angelegt zu
sein, Bäume und Sträucher waren
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