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Das Leben in 38 Tagen

Das Leben in 38 Tagen

Titel: Das Leben in 38 Tagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornelia Scheidecker
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erfahren. Gerade in der heutigen lärmenden,
hektischen Zeit, in der nur noch Leistung und Superlative gefragt sind und
Gefühle schnell verwirren können, ist es ein schöner Gedanke, dass es einen
Vater im Himmel gibt, der uns so liebt, wie wir sind. Dem wir nichts beweisen,
nichts erklären müssen, der uns begleitet, wohin wir auch gehen, und uns führt,
wenn wir es wollen.
    Die
gelben Pfeile leiteten mich sicher durch die Stadt, wo am Sonntagmorgen nur
wenige Menschen unterwegs waren. Ich genoss den Weg durch die Altstadt, vorbei
an der riesigen Burganlage, an mehreren Kirchen und historischen Gebäuden,
durch eine schöne Parkanlage, bis ich nach Durchqueren der nichts sagenden
neuen Stadtteile schließlich die Stadt hinter mir ließ. Ich hörte gerade noch
die Kirchenglocken, die zum Gottesdienst einluden, als ich den Weg in die
Felder einschlug. Mein Herz war voller Freude und Spannung auf meinen weiteren
Weg. Die Sonne und der Wind streichelten mein Gesicht und schienen mir Glück
und Kraft zu wünschen. Auf einmal fühlte ich mich wieder voller Energie und
verschob den geplanten Pausentag auf später.
    Am
Ende des Horizonts ganz oben auf einem Bergrücken konnte man Windräder sehen
und laut meinem Reiseführer führte mich der Weg genau dahin. Es erschien mir
unheimlich weit, aber es sollten nur fünfzehn Kilometer sein, das bedeutete
vier bis fünf Stunden Fußweg und 400 Meter Höhenunterschied. Immerhin hatte ich
mein erstes Ziel heute ständig vor Augen und so schritt ich, so forsch ich
konnte, bergan.
    Im
ersten kleinen Dorf klinkte ich an der Kirchentür, aber sie war geschlossen —
und das am Sonntagvormittag! Also weiter bis zum nächsten Ort. In einigem
Abstand sah ich ein altes Dorf mit einer Burg am Hang liegen, aber mein Weg
führte immer geradeaus und ich wollte mit meinen Kräften haushalten und
möglichst keine Umwege machen.
    Auf
halber Höhe gab es ein schönes Plätzchen zum Ausruhen. Ich setzte mich auf eine
Bank, verzehrte mein Baguette, Käse und Tomaten und genoss die tolle Aussicht.
Direkt unter mir vorsichtig grünende Felder, durch die sich der Weg mit
vereinzelten Büschen schlängelte, hier und da ein Dörfchen, im Hintergrund die
Stadt Pamplona mit ihren Türmen und als Rahmen für dieses sonnige Gemälde die
dunklen Bergrücken der Pyrenäen und der blaue Himmel. Es war wunderbar, einfach
hier zu sitzen und zu schauen und sein Herz voll Freude zu tanken.
    Dies
gab mir viel Kraft für den weiteren Aufstieg, der noch ziemlich mühsam wurde,
weil sich der relativ trockene Feldweg auf einmal verlor und ich mitten im
Gestrüpp nach einem Pfad suchen musste. Der starke Regen in den letzten Tagen
hatte die Wege auf dem steilen Abhang so ausgehöhlt, dass man nicht mehr
zwischen Pfaden und Wasserrinnen unterscheiden konnte. Teilweise hatte der
sandige Schlamm die alten Pfade begraben und man musste richtig klettern, um
weiter nach oben zu gelangen. Die lauten Geräusche der fast vierzig Windmühlen
übertönten mein Keuchen. Immer wieder sah ich mich um, um mich an der
zurückgelegten Strecke zu erholen. Ich spürte, wie mir der Schweiß in Strömen
den Rücken hinunterlief. Meine Schultern wollten den Rucksack abwerfen und
meine Füße die Schuhe, aber das war an dem steilen, rutschigen Hang schlecht
möglich.
    Obwohl
ich sehr weit sehen konnte, hatte ich heute kaum andere Pilger getroffen. Ob
die alle die Landstraße entlang gelaufen waren, die für die Radfahrer empfohlen
wurde?
    Kurz
vor Erreichen der Passhöhe fand ich doch noch den alten Weg und sogar einen
Rastplatz an einer Quelle. Hatte ich jemals frisches Wasser so genießen können?
Ich empfand es als Belohnung, dass ich den schwierigen Aufstieg ganz allein
bewältigt hatte. Am liebsten hätte ich auch meine Füße unter das kühle Nass
gehalten, aber das sollte man erstens wegen der verstärkten Gefahr von Blasen
nicht tun und zweitens waren meine Füße ja sowieso mit Klebebinden umwickelt.
    Die
Sonne hatte ihren höchsten Punkt schon überschritten und der Wind pfiff mir
ordentlich um die Ohren, als ich endlich den Pass Puerto del Perdón auf 800 Metern Höhe erreichte. Hier gab es keine
Bäume, nur die riesigen Windräder, aber der Ausblick war überwältigend. Wenn
ich gedacht hatte, dass der Blick auf Pamplona schon beeindruckend war, so
faszinierte mich der Blick nach der anderen Seite, die hinter dem Berg gelegen
hatte, noch viel mehr. Vor mir lag ein liebliches, weites Tal: Flüsse, Dörfer,
Wälder und Felder

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