Das Leben in 38 Tagen
dabei zu spüren, wie die Anstrengung im Körper einer
angenehmen Ermattung weicht und keine weitere Verpflichtung ruft...
Glück
und Dankbarkeit erfüllten mich wie an jedem Abend meiner Wanderung bisher und
ich hätte das gern Gott in der Dorfkirche gesagt, aber die war leider wie fast
immer in den kleinen Orten verschlossen. So ging ich noch ein wenig durch das
Dorf, wobei ich erstaunt in einem Garten unter einer großen Palme blühende
Tulpen neben mehreren Kakteen entdeckte. Eine gelungene Symbiose
mitteleuropäischer und mediterraner Vegetation, die ich so noch nie gesehen
hatte. Hierbei fiel mir wieder einmal auf, um wie viel intensiver man sich auf
dem Weg an kleinen Dingen erfreut. Sicher gibt es im täglichen Leben auch viel
Schönes und Interessantes zu sehen, aber wann nimmt man sich die Zeit dafür?
Und wenn man sich dann die Zeit nimmt, ist der Kopf meist noch so voll von dem
täglichen Stress, dass man all das Schöne, Zarte nicht aufnehmen kann, das sich
nicht in den Vordergrund stellt, so wie die Natur. Die Natur ist leise, drängt
sich nicht auf, öffnet sich nur dem richtig, der sich auf die Stille einlassen
kann, der seinen Kopf frei machen kann. Kann ich das denn?
Mit
dem Weg hatte ich auch die Hoffnung verbunden, meinen Kopf frei zu bekommen,
frei von meinem ewigen quälenden Gedankenkarussell, das mich nur lähmte, nicht
voranbrachte, das mir manchmal solche Angst machte, dass ich schon glaubte,
verrückt zu werden. Ich wollte ausbrechen, den geraden Weg wiederfinden und
eine Leere im Kopf erreichen, die Langstreckenläufer beschreiben, wenn sie sich
ab einem bestimmten Punkt nur noch mechanisch fortbewegen. Nach dieser Leere im
Kopf sehnte ich mich und nur zu gern gab ich mich der Schönheit der Natur und
lieben Worten hin. Letzteres war natürlich auch wieder gefährlich und
Enttäuschungen hatte ich doch schon genug hinter mir. Aber das Leben lebt ja
auch von Widersprüchen, man muss nur einen Weg finden, damit umgehen zu können.
Um über das alles nachdenken zu können, hatte ich ja so viel Zeit geschenkt
bekommen und ich war mir dieses Privilegs durchaus bewusst.
Abends
bekam ich dann noch ein „Glücksbonbon“. Während die anderen Pilger in dem
Restaurant gegenüber ihr Pilgermenü aßen, wollte ich das kostenlose Internet in
unserer Bar nutzen und mich endlich mal zu Hause melden. José hatte schon die
Stühle hochgestellt und wischte gerade den Fußboden, versicherte mir aber
dabei, dass ich so lange schreiben könnte, wie ich wollte. Dazu legte er eine
CD von Metallica ein und ich fühlte mich unheimlich
glücklich, mal wieder „meine Musik“ zu hören — „ Nothing else matters “ — was für ein
wunderbarer Song. Er trifft es auf den Punkt...
Allein
dafür lohnt es sich doch zu leben, dachte ich. Im nächsten Leben werde ich
Rocksänger. Das war schon immer mein Traum gewesen, nur leider hatte ich nie
jemanden, der mich getrieben und unterstützt hätte, und allein fehlte mir das
Selbstvertrauen. So haben wir es wenigstens geschafft, dass unsere Kinder ein
Instrument erlernt haben, und Benjamin hat sogar den Bass in einer Rockband
gespielt. Das waren sehr glückliche Momente in meinem Leben, als wir das erste
Mal die Band auf der Bühne sahen, und die Jungs waren wirklich gut. Angetrieben
wurden sie von einem ganz tollen Gitarristen, der wunderbare Melodien erfand
und hervorragend improvisieren konnte. Die fünf Jungs zwischen sechzehn und
achtzehn Jahren hatten es sich in den Kopf gesetzt, nicht nur die Musik selbst
zu schreiben, sondern auch die Texte. Die Band nannte sich „ Elated “,
was so viel bedeutet wie „in freudiger Stimmung sein“. Vielleicht hatten sie
sich ein zu anspruchsvolles Ziel gesetzt, denn nachdem sie sogar zwei Songs für
eine CD von Nachwuchsbands unter dem Namen „Heiße Rockwurst“ aufgenommen und
auch eine eigene Homepage mit tollen Fotos und mit eigenen Fans hatten, löste
sich die Band nach internen Problemen leider wieder auf. Ich bin mir aber
sicher, dass es eine gute Erfahrung für alle war, und wer weiß, vielleicht
finden sich ja wieder ein paar Musikinteressierte zusammen Als bleibende
Erinnerung haben wir Benjamins „Rockwurst“-CD und Martins CD vom
Jugendblasorchester, wo er unter anderem bei dem wunderbaren Song „Music“ von
John Miles am Schlagzeug sitzt.
Ja,
bei dieser heißen Rockmusik in der Bar von Lorca dachte ich beim Schreiben auch
an meine Kinder und ich war mächtig stolz auf sie.
Später
ging ich noch
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