Das Leben in 38 Tagen
in heiße Diskussionen verstrickt. Na, zum Plaudern würde wohl
später noch genug Zeit sein.
Da
hier sowieso nur selten ein Auto entlangfuhr, bestärkte mich die gemütliche
Atmosphäre in meinem Vorhaben, für heute genug gelaufen zu sein, und Werner
schloss sich mir an, obwohl er sich eigentlich die Strecke bis Estella
vorgenommen hatte.
Wir
entschieden uns für die kleinere der beiden Herbergen, wo die Übernachtung
sieben Euro kostete, entgegen dem Haus gegenüber für acht Euro. Ein junger,
sehr freundlicher Spanier begrüßte uns: „Oh, welcome to me , do you need a room for two persons ?”
Ohne eine Antwort abzuwarten oder nach unseren Pilgerausweisen zu fragen,
führte er uns gleich ein paar schmale Treppen höher in die obere Etage. Wie
erstaunt war ich, als ich mich plötzlich mit Werner in einem kleinen
Doppelzimmer wiederfand! Ich hatte gar nicht an die Möglichkeit gedacht, dass
es in Pilgerherbergen Doppelzimmer geben konnte, das kleinste Zimmer, das ich
bis jetzt gesehen hatte, war das mit acht Betten in Zubiri gewesen! Ziemlich
verdutzt fragte mich Werner, ob es mir etwas ausmachen würde, allein mit ihm in
einem Zimmer zu schlafen. Ich verneinte es in der Annahme, dass kein anderes
Bett mehr frei sei, aber richtig wohl fühlte ich mich nicht dabei.
An
die fehlende Intimsphäre auf dem Weg hatte ich mich ja schon etwas gewöhnt,
aber das Schnarchen würde mich auf jeden Fall wieder stören. In diesem Moment
ging die Tür vom gegenüberliegenden Zimmer auf und zwei lachende, englisch
sprechende Frauen etwa in meinem Alter traten heraus. Wir kamen gleich ins
Gespräch und die beiden zeigten mir ihr Zimmer, das einen Balkon zur Straße
hatte, wo ihre Wäsche schon an der Leine baumelte. Sie boten mir an, meine
Wasche ebenfalls dort aufzuhängen, und ich nahm dankend an. Aber die schönste
Überraschung kam noch, als sich herausstellte, dass in ihrem freundlichen,
hellen Zimmer noch zwei Betten frei waren. Da fing ich an, ihnen zu erzählen : „Werner, the
man in my room, isn’t my husband, he is only another
pilgrim from Austria.” „And you don’t want to sleep with him in the same room? ”, wollten sie wissen . Auf
meine verneinende Antwort schütteten sich die zwei aus vor Lachen. „ You can sleep with us , it’s no problem !” Ich war so
froh, wie glücklich sich alles gefügt hatte, und ging hinunter, um José, so
hieß der junge Hospitalero, Bescheid zu sagen. Er schien nicht verwundert,
ahmte nur lachend das Geräusch des Schnarchens nach und sagte ebenfalls: „Okay, it’s no problem !“
Werner
war mir auch nicht böse und so zog ich in das Zimmer von Charlotte und Madlen , die mir auf Anhieb sympathisch waren. Obwohl sie
kein Wort Deutsch sprachen, konnten wir uns gut verständigen und ich war froh,
meinen wöchentlichen Englischkurs in der Volkshochschule nicht abgebrochen zu
haben. Auch mit José konnte ich mich in Englisch verständigen. Er bot mir an,
meine Wäsche in der Waschmaschine zu waschen, und dabei erzählte er mir, dass
er die Herberge ganz allein betrieb. Er stammte eigentlich aus Los Arcos, das
etwa dreißig Kilometer entfernt liegt, kam aber angesichts des immer stärker
werdenden Pilgerstroms auf die Idee, hier mit Hilfe seines Vaters ein altes,
leer stehendes Haus zu kaufen, umzubauen und als Hospitalero zu arbeiten. Ich
fand den Elan des jungen Mannes in Martins Alter bemerkenswert. Die Herberge
war sehr schön eingerichtet, mit einer Küche, Dusche und Toilette auf jeder
Etage. Alles machte einen sehr sauberen und freundlichen Eindruck. Ich hätte
nicht gedacht, dass ein Mann das alles allein so gut in Ordnung halten könnte. Immerhin
betrieb er im Erdgeschoss auch noch die kleine Bar, wo man Kaffee, Tee und
andere Getränke sowie verschiedene Bocadillos zu sich
nehmen konnte.
Ich
war sehr froh, hier eingekehrt zu sein, und wollte mir heute endlich einmal
Zeit für mich nehmen. In den anstrengenden Tagen vorher war ich nicht einmal
mehr dazugekommen, meine Notizen zu machen, die ich mir für jeden Tag
vorgenommen hatte. Heute war es noch nicht so spät und so setzte ich mich nach
dem Duschen, Wäscheaufhängen und Bocadilloessen mitten auf den schönen alten Dorfplatz neben einen plätschernden Brunnen und
holte meine Schreibschulden nach. Dabei beobachtete ich die Kinder beim
Spielen, während ihre Mütter auf den Bänken saßen und die Abendsonne das
idyllische Bild beschien. Das hatte ich mir immer gewünscht, in der Sonne zu
sitzen und zu träumen und
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