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Das Leben in 38 Tagen

Das Leben in 38 Tagen

Titel: Das Leben in 38 Tagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornelia Scheidecker
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zurückgelegt und
musste genau in einem Monat in Santiago sein. Also noch fast 700 Kilometer in
dreißig Tagen! Mein linker Fuß mit dem Hallux valgus (Überbein), den ich eigentlich hätte operieren
lassen sollen, machte mir schon ganz schön Probleme. Aber nun hatte ich es
angefangen, nun musste ich sehen, wie ich damit klarkam. Jeden Morgen wurden
die nun doch aufgetretenen Blasen vor allem am linken Fuß einfach weiter mit
der Klebebinde abgeklebt, bis sie sich von dem problematischen Fußballen
zwischen den Zehen hindurch nach oben schoben. Dies schmerzte schon ganz schön,
aber es war auszuhalten, wenn man den Füßen bei jeder Rast etwas Luft gönnte.
Kein Weg konnte schlimmer sein als der Schmerz, durch den ich gegangen war!
Dies war meine tiefste Motivation des Weges. Mit den Schmerzen des Weges wollte
ich versuchen, die Schmerzen meiner Seele zu heilen...
    Trotz
des sehr schönen ruhigen Weges sehnte ich nach zehn gelaufenen und gespürten
zwanzig Kilometern den nächsten Ort, Los Arcos, herbei. Am späten Vormittag
hatte ich es geschafft. Eine beschauliche kleine Stadt erwartete mich, mit
engen Gassen, kleinen Geschäften und gemütlichen Häusern mit blumengeschmückten
Balkons. Die imposante Kirche, deren Kirchturm mich schon von weitem beflügelt
hatte, wurde von einem großen Platz mit Springbrunnen eingerahmt, und Bänke
oder Tische mit Stühlen vor den Cafés luden zum Sitzen ein. Und wen traf ich
da?

8.
Charlotte und Madlen - drei Krankenschwestern um die
fünfzig
     
    Madlen und Charlotte begrüßten mich
freudestrahlend. Ich erfuhr, dass sie auch in Villamayor de Monjardín
übernachtet hatten, allerdings in der anderen Herberge. Also hatte ich gestern
Abend doch richtig gesehen, als ich bei meinem Streifzug durch das Dorf neben
der Kirche die Wäsche der beiden auf der Leine hängen sah. Die war mir noch so
bekannt vorgekommen, aber ich hatte niemanden gesehen beim Blick in die winzige
Gemeindeherberge, und die beiden Engländerinnen hatten die andere Herberge
nicht gesehen.
    Gleich
gab es wieder viel zu lachen, als wir uns über die Herbergen austauschten. Sie
erzählten, dass sie auf Matratzen in einer zugigen Garage schlafen mussten, die
so eng war, dass Madlen direkt neben der Tür lag, wo
dauernd jemand auf die Toilette musste. Sie hatte kaum schlafen können. Das
Wasser von der Dusche war kalt, dafür war der Hospitalero nett. Na ja, so
konnte man Geschichten über jede Herberge schreiben. Es gab immer neue
Überraschungen. Auch die Schlafsackepisode von Lorca kam wieder ins Gespräch
und die Frage nach Werner, der sicher heute Nacht in Los Arcos geschlafen
hatte. Ich war jedenfalls froh, ihn losgeworden zu sein.
    Wir
drei tranken erst einmal einen Kaffee zusammen und aßen ein leckeres
Rührei-Bocadillo, während wir bei dem munteren Gespräch feststellten, dass wir
ganz gut zusammenpassten. Kein Wunder, die beiden waren auch Krankenschwestern, was wir
als lustigen Zufall sahen, und 46 und 49 Jahre alt, also etwa in meinem Alter.
Sie wohnten in Südengland und waren Freundinnen, seit sie sich vor zwanzig
Jahren im Krankenhaus bei der Geburt ihrer Kinder kennen gelernt hatten.
    Madlen hatte drei und Charlotte zwei
Kinder. Wir beschlossen, zusammen weiterzulaufen, da wir anscheinend in etwa
das gleiche Tempo liefen. Also das Tempo von Krankenschwestern um die fünfzig,
oder?
    Aber
zunächst wollte ich mir in einem der Geschäfte noch einen Sonnenhut kaufen,
denn das war etwas, was ich nicht dabei hatte, und mein Kopf war unter den
Haaren schon ganz rot geworden. Fast alle Pilger trugen eine Kopfbedeckung,
auch Madlen und Charlotte, und so nahm ich sie gleich
mit zur Beratung. Die zwei lachten sich dabei schon wieder kaputt über mich,
weil mir die Entscheidung zwischen einem groß-krempigen und einem etwas
kleineren Pilgerhut so schwer fiel. Ich entschied mich endlich für den
kleineren, was ich aber später wegen der fehlenden Schnur noch bereuen sollte.
Im Moment war ich jedenfalls glücklich über meine Neuerwerbung. Er sah gut aus,
schützte vor der Sonne und war mit einem gelben Pfeil verziert, was schließlich
den Ausschlag gegeben hatte. Mittlerweile liebte ich gelbe Pfeile in allen
Variationen, auf Steinen, an Bäumen, an Häusern, an Hüten...
    Am
heutigen Tage hatten wir die Möglichkeit, entweder noch acht Kilometer bis
Torres del Rio zu gehen oder neunzehn Kilometer bis Viana. Viana! Mein erstes
großes Ziel, wo die Frau von Wilfried aufgeben musste. So gern ich heute noch
dort

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