Das Leben in 38 Tagen
mal
wieder richtig lachen zu können. Es hätte mir
bestimmt auch Spaß gemacht, in so einer Gruppe zu laufen, aber ich glaube, dass
man das dann doch aus einer anderen Motivation heraus tun würde.
Jean,
der Holländer, und ein ebenfalls sehr freundliches holländisches Ehepaar gaben
sich alle Mühe, uns Pilger mit einem leckeren Abendbrot zu verwöhnen. Vorher
stellten sie sich kurz vor und erklärten ihre christliche Motivation, für ein
Vierteljahr unentgeltlich hier Dienst zu tun. Es wurde ein Gebet gesprochen,
nachdem alle Pilger ihr Fanverständnis dazu gegeben hatten, und jeder erhielt
ein Miniheftchen des Johannes-Evangeliums. Damit konnte ja jeder machen, was er
wollte. Ich habe es bis Santiago bei mir getragen, allerdings nicht gelesen.
Jedenfalls empfand ich die Atmosphäre hier als angenehm im Gegensatz zu manch
anderem Pilger, der alles nur als Manipulation auffasste. Also, wenn das Seelenfängerei sein sollte, dann weiß ich nicht.
Wieder
einmal schlief ich heute mit dem deutschen Ehepaar in einem Raum, das ich mit
Martin auf dem Weg nach Pamplona kennen gelernt hatte. Ich staunte, dass sie
auch schon so weit gekommen waren. Allerdings war die dritte Person, die sich
als Schwester des Ehemannes herausgestellt hatte, in Estella geblieben und der
Kontakt zwischen ihnen war seitdem verloren gegangen. Komisch, immer wenn ich
die drei Deutschen sah, gab es irgendein Problem bei ihnen und das war dann
immer gleich richtig schlimm, so dass sie kaum von etwas anderem reden konnten.
Vielleicht suchten sie ja auch die Probleme auf dem Weg! Jeder findet auf dem
Camino das, was er sucht, sagt man. Diese Weisheit konnte ich später noch öfter
erfahren.
Nach
einem reichhaltigen und liebevoll vorbereiteten Frühstück verabschiedete ich
mich herzlich von den Holländern. Sie hatten mich noch einmal ermuntert, dass
ich es bis 18. Mai nach Santiago schaffen würde, wenn ich so weiterlaufen
würde; täglich zwanzig bis fünfundzwanzig Kilometer. Und später würde ich auch
dreißig Kilometer gut schaffen. Na ja, wenn sie für mich beten würden, würde es
bestimmt klappen!
Dabei
versuchte ich mir vorzustellen, wie es für die Hospitaleros sein musste, sich
jeden Tag auf neue Menschen einzustellen, sie etwas näher kennen zu lernen, um
sie am nächsten Tag wieder loszulassen und in den allermeisten Fällen nie
wiederzusehen. Da ist es wieder, dieses Loslassen, Loslassen lernen, um frei zu
sein für die nächsten Pilger, die nächste Tätigkeit! Loslassen, um dem anderen
die Freiheit zu schenken und damit auch letztlich sich selbst...
Ein
herrlicher Frühlingstag hatte uns schon mit einem wunderschönen Sonnenaufgang
kurz vor 7.00 Uhr im Frühstücksraum begrüßt, der als einziger Raum ein riesiges
Fenster hatte. Nun lag ein leichter Nebelhauch auf den Feldern und Weinbergen,
durch den die Sonnenstrahlen brachen und alles in ein helles, glänzendes Licht
tauchten. Ich fühlte mich glücklich, allein diesen herrlichen Weg mitten durch
die Weinberge bergab zu laufen. Dabei genoss ich den kühlen Morgen, die
Landschaft und das Vogelgezwitscher, das kaum von einem anderen Geräusch
unterbrochen wurde.
Die
gelben Pfeile sollten nun etwa zwölf Kilometer durch Felder, Wälder, an kleinen
Bächen vorbei führen und keine Straße sollte die Ruhe stören. Das war genau die
richtige Landschaft für mich. Es ging nicht mehr bergauf, sondern meist
geradeaus, immer an einem dunkelgrünen Wald entlang, von wo mich ein Kuckuck
mit seinem Rufen fast die ganze Zeit begleitete. Es war so schön, dass es last
kitschig wirkte. Ab und zu sah man einen Bauern auf seinem Feld oder ein
Traktor kam den Feldweg entlang. Sonst war alles ruhig und man konnte die Seele
baumeln lassen, sich an seiner Freiheit, der Natur und natürlich auch an dem
Wetter erfreuen.
Einmal
überholte ich das deutsche Ehepaar, von den anderen Mitpilgern aus der Herberge
sah ich nichts mehr. Auf einem Rastplatz am Waldrand setzte sich ein junger
Berliner mit einem auffallend breitkrempigen Hut zu mir. Er hatte gerade Abitur
und Zivildienst hinter sich und wollte sich nun über seinen weiteren Lebensweg
klarer werden. Ich erzählte vom Studium meiner Söhne und er hörte interessiert
zu, schrieb sich sogar die Hochschuladresse von Martin auf. Wir gingen ein
Stück gemeinsam, bis ich merkte, dass er doch etwas zu schnell für mich lief.
„See you later ,
Christian!“, sagte ich und blieb zurück.
Heute
war ich seit einer Woche unterwegs, hatte circa 150 Kilometer
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