Das Leben in 38 Tagen
sogar frische Brötchen, Butter, Marmelade und „dos grande café con leche“. Martin wollte, dass ich jetzt
bestellen lerne. Okay. Das geht schon, und auch „ Dónde esta baño ?“ — „Wo ist die
Toilette?“. Der Wirt war sehr freundlich und bat uns nach dem Bezahlen, noch
einen Moment zu warten. Eben war schon ein Pilger zurückgekehrt, weil es so
regnete, und hatte beschlossen noch eine Nacht länger zu bleiben. Dies ist ja
in den Privatunterkünften möglich, in den Herbergen aber normalerweise nicht.
Wir
warteten gespannt, was er noch von uns wollte. Da kam er auf einmal mit zwei
riesigen schwarzen Müllsäcken und befestigte sie um Martins Rucksack; wir
hatten nämlich einen Regenschutz für ihn vergessen und ich hatte ja mein Cape.
Dies war eine tolle Idee, sonst hätte Martin völlig durchgeweichte Sachen
bekommen. Wir verabschiedeten uns von dem netten Wirt und verließen den
gastlichen Ort.
Der
Regen hatte inzwischen etwas nachgelassen, deshalb machten wir am
Ortsausgangsschild noch ein Foto. Hier stand: Santiago de Compostela 790
Kilometer. Juhu! Die 800-Kilometer-Grenze war unterschritten! Dann lass es
ruhig regnen, wir laufen trotzdem!
Zunächst
führte der Weg neben der Landstraße entlang und wir versuchten anfangs noch,
den Pfützen auszuweichen. Unter den Bäumen regnet es zweimal und das bekamen
wir in dieser Baumallee bis zum nächsten Ort Burguete zu spüren. Wir aber waren
trotzdem guter Dinge und ließen uns auch von dem schönen, auffallend sauberen
Baskendörfchen mit seinen kleinen, einladenden Cafés nicht verlocken,
einzukehren. Hier wurde sogar das Regenwasser am Straßenrand in gepflasterten
Kanälen aufgefangen und in ein kleines Flüsschen abgeleitet. Außerhalb des
Dorfes ging es dann auf einem Feldweg weiter, an einer Viehzuchtanlage vorbei,
wo die Traktoren den schlammigen Weg schon in einen See verwandelt hatten.
Also, heute war der erste Test für unsere neuen angeblich wasserdichten
Wanderschuhe angesagt und wir nahmen den Kampf an!
Nach
dem Viehzuchtanlagensee führte uns der Weg an grünen Getreidefeldern vorbei,
über mehrere kleine, liebevoll errichtete Holzbrücken, die uns Bäche überqueren
halfen, bis wir an einem Wald angelangt waren. Hier schien der flache und
angenehme Teil der bisherigen Strecke zu Ende zu sein, denn nun begann der Weg
anzusteigen. Hinter uns sahen wir schon die Gipfel der Pyrenäen im Regen
verblassen, während wir nach circa zwei Stunden bergauf und bergab das kleine
Dörfchen Espinal erreichten und nach weiteren fünf Kilometern Bizkarreta , wo wir uns in der winzigen Bar endlich eine
Pause gönnten. Wie gut das tat, die Schuhe einmal ausziehen zu können, einen
warmen Kaffee zu trinken und, zum ersten Mal für mich, auch ein Bocadillo, ein
spanisches Schinkenbaguette zu essen! In der Bar, die gerade einmal für zehn
Personen Platz bot und die wir glatt übersehen hätten, wenn nicht ein riesiges
Coca-Cola-Schild über der Tür gehangen hätte, trafen wir auch die
Franzosengruppe mit ihrem Auto und einige andere Pilger. Wenn es regnet,
mummelt sich jeder beim Laufen in sein Cape und sieht nur geradeaus; also ist
es schön, sich in einer Bar zu treffen und ein paar Worte zu wechseln. Hierbei
stellte ich immer wieder fest, dass sich fast alle Pilger (und Wirte) gern mit
Martin unterhielten. Er ist so ein fröhlicher und ausgeglichener Mensch, der
auf andere sehr positiv wirkt. Es machte mich sehr glücklich, das zu
beobachten. Wann hat man sonst schon so viel Zeit dafür?
Seit
wir Roncesvalles verlassen hatten, das auf etwa 1000 Metern Höhe lag, waren wir
in den Ausläufern der Pyrenäen etwa 200 Höhenmeter tiefer angekommen. Der Regen
hatte zwar wieder einmal aufgehört, aber die Wege wurden immer schwieriger. Es
ging buchstäblich über Stock und Stein. In den Wäldern galt es, schlüpfrige
Wurzeln und Steine zu überwinden, und auf den Wiesen stand das Wasser. Wir
hatten keine Möglichkeit mehr, dem Schlamm auszuweichen, und so machten wir es
den anderen Pilgern nach und liefen mittendurch. Wir waren nur noch damit
beschäftigt, nicht auszurutschen und nicht zu fallen. Einige hatten schon Bekanntschaft
mit dem Boden gemacht, wie man an der Kleidung erkennen konnte. Ich war wieder
einmal froh, die Stöcke dabeizuhaben...
Zum
Glück kam dann doch noch eine bessere Wegstrecke, wo es einige Kilometer auf
einem breiten Waldweg fast nur geradeaus ging und wir uns etwas erholen
konnten. Dabei kamen wir auch an ein paar lang gestreckten
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