Das Leben ist ein Kitschroman
Ich wollte ihr die Liste aus der Hand nehmen, aber Ineke war schneller.
»Schauen wir mal, was du aufgeschrieben hast: Neue Erfahrungen, genau. Ganz ohne Vorauswahl. Und das mit deine Mutter ist auch wichtig.« Sie zwinkerte mir zu. »Aber mit Quizsendungen und Sex ist es schwieriger, um Geld zu verdienen.« Sie machte eine Kopfbewegung zum Eroscenter. »Es sei denn, du willst dort anfangen.«
»Das mit den Quizsendungen ist nur für die Kollegin an der Garderobe«, erklärte ich. »Und den Wunsch nach Sex habe ich aufgeschrieben, als du so laut mit Stefan zugange warst.«
Nun runzelte Ineke die Stirn. »Mit Stefan ist es sehr problematis.«
»Ich dachte, ihr hattet euch wieder versöhnt?«
Sie nickte und nahm einen tiefen Schluck aus dem Weinglas. »Schjon. Ich hatte dich das erzählt, oder? Mit das Kind.«
»Deine biologische Uhr.«
»Genau. Er will es sich überlegen, aber ich habe meine Zweifel.«
»Meinst du, er hält dich nur hin?«
»Ich gebe ihn noch eine Woche, habe ich gesagt. Dann möchte ich eine klare Antwort.«
Ich dankte meinem Herrgott, dass ich nicht auch noch dieses Problem an den Hacken hatte.
»Aber jetzt guck du nicht so ernst.« Ineke verteilte den Rest Wein auf unsere Gläser. »Ich werde schjon eine Lösung finden. Wichtiger ist jetzt, dass du dich ernsthafte Gedanken machst, wie es für dich weitergeht.«
»Vielleicht sollte ich dich als meinen persönlichen Zukunftsplaner anheuern?«
Ineke strahlte. »Das ist eine Superidee! Ich mache mich gerne ein paar Gedanken für dich!«
12
Am Mittwochmorgen wurde ich gegen sieben von einem ohrenbetäubenden Lärm im Innenhof geweckt und schaute genervt aus dem Fenster. Es waren Müllmänner, die die Container im Innenhof hin und her schoben und anscheinend an einem Wettbewerb teilnahmen, wer bei dieser Arbeit den schlimmsten Radau erzeugen konnte. Bevor ich mich aber in der Lage fühlte, eine Bewertung abzugeben, waren sie wieder verschwunden. Und ich hellwach. Mist.
Nachdem ich geduscht und gefrühstückt hatte, dachte ich an mein gestriges Gespräch mit Ineke zurück und beschloss zu Anfang des Tages das Tarot zu befragen.
Ich fuhr mein Laptop hoch, öffnete den Link und mischte per Mausklick die Karten. Wird es mir gelingen, meinen beruflichen Weg zu finden?
Während ich mich auf diese Frage konzentrierte, fuhr ich mit dem Cursor ein paarmal an der Kartenreihe hin und her, dann entschied ich mich.
Das Rad des Schicksals wurde aufgedeckt und gespannt begann ich zu lesen:
Das Rad des Schicksals könnte man auch als Karussell des Lebens bezeichnen, denn bei dieser Trumpfkarte gibt es ständig Veränderungen und es gilt, den Überblick zu wahren.
Okay, das war nicht gerade meine Königsdisziplin, aber ein bisschen Überblick konnte im Augenblick sicher nicht schaden.
Träumereien sind beim Rad des Schicksals nicht der richtige Weg, sie führen nur zur Enttäuschung. Besser ist, das Schicksal bewusst in die Hand zu nehmen und die richtigen Entscheidungen zu treffen.
Es ist nun wichtig, die Erfahrungen als Gesamtbild zu verarbeiten, um seine Wünsche, aber auch seine Möglichkeiten zu erkennen.
Aha. Schön formuliert, aber wie wusste ich, was richtig war und was falsch?
Ich hoffte, dass das Schicksal mir Bescheid stoßen würde, wenn es so weit wäre, und schaute als Nächstes nach, ob jemand gemailt hatte. Ha, Luise hatte sich gemeldet!
Liebe Charli,
das Leben hier ist eine enorme Umstellung. Das Haus, in dem die Biologen untergebracht sind, ist alt, gemütlich und knarrt an allen Ecken und Enden. Draußen nichts als Natur, so weit das Auge reicht. Mit den Kollegen von Christian verstehe ich mich gut und mit Christian selber ist es äh, himmlisch. Zwar blöde für dich, dass deine Wohnung gebrannt hat, aber ich bin sauglücklich, jetzt bei ihm sein zu können. Wenn die Biologen unterwegs sind, schreibe ich ein bisschen vor mich hin, lese viel und mache Spaziergänge an der Küste.
Wie ist es in der Georgenstraße? Kommst du mit Kater, Nachbarn und den Garderobendamen zurecht?
Und wie geht es Marie und Mr Big? Ist er noch krank?
Als hätte sie auf ihr Stichwort gewartet, rief in diesem Moment Marie an. Völlig durch den Wind.
»Oh, Charli, Ich hoffe, ich habe dich nicht geweckt, aber ich weiß echt nicht mehr, was ich machen soll«, sagte sie mit tränenerstickter Stimme. »Big ist total schlapp und ich mache mir schreckliche Sorgen und ...«
»Beruhige dich, Süße«, sagte ich. »Bist du zu Hause?«
Marie gab ein Schniefen
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