Das Leben ist ein Kitschroman
von sich, das ich als Ja interpretierte.
»Pass auf, ich fahre gleich los, hole Big ab und gehe mit ihm zum Tierarzt. Dann kannst du zur Arbeit gehen, und sobald ich weiß, was ihm fehlt, ruf ich dich an und wir sehen weiter. Okay?«
»Ist dir das auch wirklich nicht zu viel?«
»Zu viel was? Marie, ich habe nur eine Aufgabe im Augenblick: Haushüten und mir Gedanken über meine Zukunft machen. Und das kann ich auch beim Tierarzt. Alles klar?«
Eine Dreiviertelstunde später betrat ich mit Mr Big in der Transporttasche die Kleintierpraxis. Nachdem ich ihn an der Rezeption angemeldet hatte, setzte ich mich ins Wartezimmer zu den anderen Patienten und hoffte, dass wir nicht lange warten mussten.
Schon bei meinem Praxisbesuch mit Dr. Oetker und Luise war mir aufgefallen, dass Tierbesitzer enorm kommunikativ waren und heute war es nicht anders. Kaum hatte ich Platz genommen, wurde Mr Big von den anderen Wartenden ins Visier genommen und für richtig süß befunden.
»Was fehlt ihm denn?«, erkundigte sich die Frau links neben mir. Zu ihren Füßen stand ein Transportkorb, aus dem uns ein Dackel düstere Blicke zuwarf.
»Er ist furchtbar schlapp und trinkt wie ein Weltmeister«, gab ich Auskunft.
Ein älterer Herr rechts von mir, der mit einem kranken Hasen gekommen war, kraulte Big zärtlich. »Und muss er auch dauernd?«
Ich hatte in Erinnerung, dass davon die Rede gewesen war und nickte.
»Die Nieren«, sagte der Mann ernst. »Das hatte mein Sammy damals auch und es war ein harter Kampf. Den wir leider verloren haben.«
Nach dieser Hobby-Diagnose war ich heilfroh, dass Marie in der Agentur und nicht neben mir saß. Allein der letzte Satz hätte ihr den Rest gegeben und auch mir wurde ganz mulmig.
»Meine Tante hat vier Katzen durch Nierenerkrankungen verloren«, mischte sich nun ein junges Mädchen mit Kanarienvogelkäfig ein. »Bricht er denn oft? Und hat er Durchfall?«
Ich hatte noch nie in meinem Leben viel mit Haustieren zu tun gehabt und fühlte mich eindeutig überfordert. Daher fand ich es nun an der Zeit, mich als Nichtbesitzerin zu outen, bevor mir noch weitere Fragen zu Bigs Erkrankung gestellt wurden.
Das war meinen Mitwartenden jedoch völlig schnuppe. Munter plauderten sie über diverse Kleintierkatastrophen weiter und bezogen mich in ihre Gespräche mit ein, als hätte ich nichts gesagt.
Als ich endlich allein im Wartezimmer war, angelte ich mir eine der Zeitschriften vom dem Tisch. In den Artikeln ging es ebenfalls um allerlei Krankheiten und ich hoffte, dass ich den Mops bald dem alten fürsorglichen Arzt in die Hände drücken konnte.
Zwei Artikel später war es so weit und die Tierarzthelferin, eine freundliche, recht abgehetzt aussehende Frau von Ende vierzig lotste mich in einen der beiden Behandlungsräume.
»Entschuldigen Sie bitte«, sagte sie. »Aber nach dem Pferdeunfall geht es drüber und drunter.« Sie öffnete die Tür und zeigte auf den Behandlungstisch. »Stellen Sie den Hund dort schon mal hin, der Doktor kommt gleich.« Und weg war sie wieder.
Ich hob den kranken Big aus seiner Tasche und redete beruhigend auf ihn ein. »Du wirst sehen, der Doc ist ein ganz lieber«, sagte ich. »Er hat Oetker auch schon öfters zusammengeflickt und dir kann er auch bestimmt... «
Als die Tür aufging, glaubte ich im ersten Augenblick, einer Wahnvorstellung zu unterliegen. War Dr. Mäuschen in einen Jungbrunnen gefallen oder hatte ich es an den Augen? Zu allem Überfluss konnte der Mann auch noch Gedanken lesen.
»Keine Bange, Sie haben sich nicht in der Praxis geirrt, aber Herr Meier hatte einen unglücklichen Zusammenstoß mit einem Pferd und liegt in der Klinik. Daher müssen Sie so lange mit mir vorliebnehmen.« Der Mann im grünen Praxiskittel reichte mir die Hand und sah mich durch seine randlose Brille freundlich an. »Ich bin Carsten Hecht und vertrete ihn.«
Potzblitz!
»Charlotte ... Bruckmann«, murmelte ich.
»Angenehm«, sagte der Arzt, während er sich Mr Big anschaute. »Was fehlt Ihrem Hund, Frau Bruckmann?«
Ich wiederholte, was Marie mir alles erzählt hatte und Carsten Hecht tippte ebenfalls auf Bigs Nieren.
»Da werden wir wohl die eine oder andere Untersuchung machen müssen. Und sollten es tatsächlich die Nieren sein, ihm eventuell auch eine Infusion verabreichen. Haben Sie so lange Zeit?«
Das Wort Zeit hatte eben seine Lippen verlassen, als wir einen Schrei hörten, der mir das Blut in den Adern gefrieren ließ.
»Um Gottes willen!« Hecht rannte in
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